Rainer Rupp: Vorsicht vor Fake-Friedensdemos!
Von Rainer Rupp
Wer die russische Sonderoperation in der Ukraine – oft als Selbstschutz vor eigener Diffamierung – pauschal als Angriffskrieg verurteilt, der verbeugt sich vor dem Gessler-Hut, den die US/NATO-Kriegstreiber aufgestellt haben. Denn das ist ein wirksames Mittel, um die Vorgeschichte des Krieges, um Ursache und Wirkung zu verschleiern und die Antikriegsbewegung zu teilen.
Jeder, der sich vor diesem Gessler-Hut verbeugt, bedient die US/NATO-Kriegspolitik gegen Russland zum Schaden Europas – und vor allem zum Schaden der Ukraine. Die Intention einer jeden echten Friedensdemonstration wird dadurch konterkariert. Denn jede Verurteilung des angeblich "brutalen russischen Angriffskriegs gegen unschuldige ukrainische Frauen und Kinder" aus den Reihen von Friedensdemonstrationen ist Wasser auf die Mühlen der imperialistischen Politik Washingtons, Wasser auf die Mühlen des Krieges gegen Russland, der bis zum letzten ukrainischen Soldaten verlängert werden soll. Und ganz nebenbei wird auch noch unsere deutsche Wirtschaft ruiniert. Denn die vom US-Präsidenten Joe Biden erklärte Politik der Reindustrialisierung Amerikas geht auf Kosten der Deindustrialisierung Europas!
Jeder Krieg hat eine Vorgeschichte. Dieser Krieg ist die Konsequenz einer über 20 Jahre dauernden Aneinanderreihung von schweren antirussischen Provokationen und höhnischen Zurückweisungen der nachvollziehbaren Sicherheitsbedürfnisse Russlands, deren Äußerung angesichts der stetigen US/NATO-Expansion im Laufe der letzten Jahrzehnte mehr als gerechtfertigt war. Zugleich haben die vielen US/NATO-Angriffskriege und Destabilisierungen ganzer Staaten in den letzten Jahrzehnten gezeigt, dass die NATO das Gegenteil einer Friedens- oder Sicherheitsorganisation ist.
Zudem fand die NATO-Expansion gen Russland unter der lauten und begeisterten Begleitmusik ukrainischer Neonazis und osteuropäischer Russenhasser statt. Die haben von Anfang an verstanden, dass es dabei gegen Russland geht. Wer noch daran zweifelte, der wurde im April 2022 vom US-Verteidigungsminister Lloyd Austin anlässlich seines Besuchs in Warschau eines "Besseren" belehrt. Der erklärte, dass es den USA bei dem Krieg nicht um die Ukraine gehe, sondern "um die nachhaltige Schwächung Russlands", weshalb der Krieg auch möglichst lange dauern solle. Vor diesem Hintergrund kann niemand mehr von einem "unprovozierten russischen Angriffskrieg" sprechen.
Aber es gibt auch einen weiteren Grund, weshalb ernsthaft friedensbewegte Menschen sich nicht vor dem "Gessler-Hut" des US/NATO-Narrativs verbeugen sollten. Eine zwecks "Selbstschutz" geäußerte Beschuldigung Russlands, einen angeblich "unprovozierten Angriffskrieg" in der Ukraine zu führen, führt argumentativ aufs Glatteis. Denn sie öffnet eine Flanke, in die jeder halbwegs gewiefte Vertreter der NATO-Kriegstreiber mit Leichtigkeit vorstoßen kann.
Die Initiative von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer ist dafür ein anschauliches Beispiel. Beide haben sich mit ihrer symbolischen Verbeugung vor dem Gessler-Hut derartig in eine argumentative Schieflage begeben, dass beide unabhängig voneinander selbst von drittklassigen Talkshow-Moderatoren in die Ecke gedrängt wurden. Alice Schwarzer ist dabei vollkommen in die Knie gegangen. Unter dem Druck, öffentlich als Monster zur Schau gestellt zu werden, hat sie ihre ursprüngliche Forderung nach einem sofortigen Stopp deutscher Waffenlieferungen schmachvoll revidieren müssen.
Die in den Talk-Shows angewandte Methode erinnerte an die Verhöre der Bundeswehrkommissionen, die über die Anträge auf Kriegsdienstverweigerung zu entscheiden hatten. Dabei sollte den Kandidaten mit der Hilfe verschiedener, konstruierter Szenarien letztlich doch noch deren Bereitschaft zur Gewaltanwendung entlockt werden.
So wurde der Proband z. B. gefragt, wie er sich verhalten würde, wenn er zusehen müsste, wie seine kleine Schwester von einem brutalen Grobian vergewaltigt würde, er aber Zugang zu einer Waffe hätte, um das Verbrechen zu verhindern. Mit solchen Beispielen wurde damals erfolgreich so manchem Kriegsdienstverweigerer eine Falle gestellt – und ab ging es in den Wehrdienst. Diese Methode hat auch bei Alice Schwarzer zum K. o. geführt.
Mit dem Argument, dass auch Deutschland die moralische Pflicht habe, den unschuldigen Menschen in der Ukraine zu helfen und die Frauen und Kinder – die angeblichen Hauptopfer des angeblichen brutalen russischen Angriffskrieges – zu schützen. Und da Russland angeblich nicht zu einer Waffenruhe bereit sei, könne man den Menschen in der Ukraine nur noch mit Waffenlieferungen helfen, damit sie ihre Familien verteidigen können. Dieser Argumentationsstrang wurde vom Moderator und anderen Talk-Show-Gästen in verschiedenen Variationen immer wieder durchgespielt, bis zumindest Alice Schwarzer weichgeklopft war, während Sahra Wagenknecht aus den Runden zwar angeschlagen aber immer noch aufrecht hervorging.
Im Bild-Talk "DieRichtigenFragen" vom 24. Februar 2023 unter dem Titel "Alice Schwarzer im Verhör" (sic!) räumte Schwarzer plötzlich ein, sie sei ja nicht generell für einen Stopp der Waffenlieferungen. Der sollte nur im Fall eines Waffenstillstands in der Ukraine erfolgen. Wörtlich sagte sie:
"Halten sie mich für naiv. Wir haben in unserem Manifest nicht jeden Schritt ausgearbeitet. Das muss natürlich Hand in Hand gehen. Und erst dann, wenn die Russen anfangen, sich aus den am 24. Februar vergangenen Jahres besetzten Gebieten zurückzuziehen, erst dann, wenn es einen wirklich echten Waffenstillstand gibt, erst dann sagt man: Wir liefern keine Waffen mehr. Ist ja klar."
Das Video zu diesem Ausschnitt finden Sie hier.
Mit dieser Kehrtwende von Alice Schwarzer ist eines klar geworden: Wer den Bückling vor dem Gessler-Hut der NATO-Kriegstreiber macht und nicht auf der Vorgeschichte des Kriegs in der Ukraine besteht, der begibt sich argumentativ auf eine glatte und schiefe Ebene, an der Ende eine Bejahung der deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine steht.
Mehr zum Thema – Konferenz zur Einigung des Widerstandes gegen den US/NATO-Krieg in der Ukraine
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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.