Geschichtsrevisionismus made in Germany
Von Gert Ewen Ungar
Ginge es nach der Bundesregierung, der Senatskanzlei in Berlin und dem ukrainischen Botschafter, dann hat vor allem die Ukraine Deutschland vom Faschismus befreit. Das wurde an den Feierlichkeiten deutlich, mit denen man in Berlin das Kriegsende beging.
Die Bundestagsvizepräsidentin und Vorsitzende der Partei Bündnis 90/Die Grünen, Katrin Göring-Eckardt, postete auf Twitter ein Foto einer Wand im Reichstag, auf der Soldaten der Roten Armee bei der Einnahme des Gebäudes mit Holzkohle Nachrichten an die Nachwelt hinterlassen haben. Es sind Hunderte.
An den Wänden des Reichstagsgebäudes findet man Inschriften von Soldaten der Roten Armee. Auch aus Kyjiw, Odesa und Charkiw. Dem 2. Weltkrieg fielen über 8 Mio Ukrainer*innen zum Opfer. Daraus erwächst für Deutschland heute und immer eine besondere Verantwortung. #TagderBefreiungpic.twitter.com/PG0z64boFq
— Katrin Göring-Eckardt (@GoeringEckardt) May 8, 2023
Sie kamen erst beim Umbau des Gebäudes in den 90er-Jahren zum Vorschein. Berlin sollte wieder Sitz von Regierung und Parlament werden. Der Deutsche Bundestag sollte von Bonn in den Berliner Reichstag ziehen. Das Gebäude, bis dato eine Ruine im Zentrum Berlins, musste wieder aufgebaut werden. In diesem Zusammenhang wurden die Graffitis entdeckt, die Katrin Göring-Eckardt jetzt für Propaganda und den Versuch einer Umschreibung der Geschichte instrumentalisiert.
Unter den Hunderten Inschriften entdeckt Göring-Eckardt welche, deren Verfasser aus Kiew, Charkow und Odessa stammen. Ob sich die Verfasser als Ukrainer oder als Sowjetbürger fühlten, ob sie sich als Russen, Tataren oder Inguschen sahen, lässt sich natürlich nicht sagen. Göring-Eckardt stülpt den Autoren der Inschriften ganz im Stile des von den Grünen geförderten Nationalismus in der Ukraine eine ukrainische Identität über und unterfüttert damit ihren erneuten Versuch, die Geschichte umzuschreiben.
Dem deutschen Faschismus fielen 8 Millionen Ukrainer zum Opfer, daraus ergebe sich für Deutschland eine besondere Verantwortung, teilt Göring-Eckardt mit. Der besonderen Verantwortung gegenüber all den anderen Völkern der Sowjetunion möchte man in Deutschland nicht mehr gedenken, macht sie damit deutlich, und liegt damit im Trend.
Auch die Berliner Senatskanzlei gedenkt gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt und dem ukrainischen Botschafter Alexej Makejew in der Neuen Wache der Opfer des Nationalsozialismus. Der russische Botschafter ist nicht dabei.
Stilles Gedenken an der Neuen Wache am heutigen #TagderBefreiung vom Nationalsozialismus vor 78 Jahren zusammen mit dem Regierenden Bürgermeister @kaiwegner, dem ukrainischen Botschafter @Makeiev und Staatsminister @tobiaslindner (@AuswaertigesAmt). #8Mai#NieWiederpic.twitter.com/kiN2aFVBiT
— Senatskanzlei Berlin (@RegBerlin) May 8, 2023
Der Berliner Oberbürgermeister legt am sowjetischen Ehrenmal einen Kranz nieder, der russische Botschafter auch. Sie tun es allerdings getrennt.
Der ukrainische Botschafter nimmt die klar antirussische Positionierung unmittelbar auf und fordert Aufarbeitung von Deutschland gegenüber der Ukraine. Nichts weniger als eine "Erinnerungswende" muss her. Die Wende ist offenbar schon da.
Unsere 🇺🇦🇩🇪 deutsche Geschichte ist eng verflochten. Heute haben sich mir gegenüber viele Politiker bereit erklärt, sich an der Aufarbeitung deutscher Verantwortung einzusetzen. Und ich arbeite weiter an einer #Erinnerungswende/END pic.twitter.com/iUW7UP3jhz
— Oleksii MAKEIEV 🇺🇦 (@Makeiev) May 8, 2023
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben das Verhältnis kurz vor den Feierlichkeiten zum Tag des Sieges über den Faschismus mit einem offenen Brief an den russischen Botschafter gründlich zerrüttet. Sie mischen sich offen in die inneren Angelegenheiten Russlands ein und verlangen vom Botschafter, dass er sich an der Seite der deutschen Abgeordneten gegen die russische Justiz positioniert. Eine offene Provokation.
Skandalisiert wird in deutschen Medien, dass Altkanzler Gerhard Schröder (SPD), der letzte Staatsratsvorsitzende der DDR, Egon Krenz, Klaus Ernst (Die Linke), Alexander Gauland und Tino Chrupalla (beide AfD) eine Einladung der russischen Botschaft angenommen und gemeinsam mit dem russischen Botschafter und seinen Gästen dem Kriegsende gedacht haben.
Nicht skandalisiert wird hingegen, dass der überwiegende Teil der deutschen Politik der Einladung offenbar nicht gefolgt ist. Der russische Botschafter Sergej Netschajew warnte in seiner Ansprache übrigens vor Versuchen, die Geschichte zu verfälschen. In Deutschland verwendet man viel Energie darauf, genau das zu tun.
Das sind alles keine Einzelfälle, keine Versehen und Ausrutscher. Deutschland betreibt Geschichtsrevisionismus und er wird von ganz oben verordnet und gesteuert. Wer die Berichterstattung zum Tag des Kriegsendes verfolgt hat, sieht ganz deutlich den Versuch, die Geschichte umzuschreiben. Es ist eine absolut bedenkliche Entwicklung, die zeigt, Deutschland hat aus seiner Geschichte nichts gelernt und wiederholt sie daher zwanghaft.
Russland ist der juristische Nachfolger der Sowjetunion. Die Sowjetunion hat die Hauptlast des Zweiten Weltkriegs getragen. Russland und die Sowjetunion sollen aus der Geschichte als die historisch wichtigsten Akteure im Rahmen der Befreiung vom Faschismus getilgt werden, ist die deutliche Botschaft, die deutsche Politik und Medien am 8. und 9. Mai in die Welt gesendet haben.
Im Gegenteil soll der Sowjetunion eine Mitschuld am Zweiten Weltkrieg gegeben werden. Das heutige Russland wird entgegen den Fakten als faschistischer Staat dargestellt. Es ist vom Faschismus deutlich weiter entfernt als sowohl die Ukraine als auch die Bundesrepublik.
In Russland sieht man die bedenkliche Entwicklung deutlich und warnt seit Jahren vor den Versuchen der Geschichtsumschreibung. In Deutschland hält man dennoch an dem eingeschlagenen Kurs des Geschichtsrevisionismus fest und negiert in diesem Zusammenhang auch die faschistischen Tendenzen in der Ukraine sowie die enge Kollaboration des ukrainischen Faschismus mit dem deutschen. Von den damaligen Kollaborateuren zur heutigen ukrainischen Regierung gibt es erstaunlich viele Kontinuitäten.
Dass sich auch heute wieder Deutschland und die Ukraine zu einer unheilvollen Allianz verbinden, sieht man in Russland klar. Deutschland übersieht nicht nur den offenen Faschismus in der Ukraine, sondern beteiligt sich an seiner Reinwaschung und instrumentalisiert ihn gegen Russland. Aus Deutschland kommt kein Wort der Verurteilung des ukrainischen Terrorismus auf russischem Boden, und das Schweigen deutscher Politiker zu den ukrainischen Kriegsverbrechen ist Ohren betäubend.
Deutschland schickt Waffen und bildet Soldaten aus, die in der Ukraine gegen Russland kämpfen. In Russland läuten schon längst alle Alarmglocken und es werden schreckliche Erinnerungen an eine unheilvolle Allianz zwischen Deutschland und der Ukraine wach. Nach diesen Tagen der Feierlichkeiten zum Ende des Zweiten Weltkrieges läuten die Alarmglocken allerdings noch ein wenig lauter.
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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.