Meinung

Die EU hat sich das ukrainische Getreide gekrallt, das für Afrika bestimmt war

Das Getreideabkommen, das Nahrungsmittelkrisen in armen Ländern hätte lösen sollen, diente nur dazu, die europäischen Märkte mit billigem Getreide zu überschwemmen. Anscheinend verfügt Brüssel über einen endlosen Vorrat an Steuergeldern, um jene Probleme zu lösen, die es selbst für sich verursacht.
Die EU hat sich das ukrainische Getreide gekrallt, das für Afrika bestimmt warQuelle: AP © Andrew Kravchenko

Ein Kommentar von Rachel Marsden

Erinnern Sie sich an all das Gerede darüber, wie wichtig es sei, ukrainisches und russisches Getreide aus beiden Ländern zu verschiffen, um die Hungrigen in Afrika und Asien zu ernähren? Nun, es stellte sich nun heraus, dass die EU diese Wohltätigkeitsaktion dafür genutzt hat, ihre eigenen Kornkammern aufzufüllen – und das alles obendrein zum Nachteil der eigenen Landwirte.

Während ukrainisches Getreide in die EU gekarrt wurde, wurde russisches Getreide und Düngemittel, das beides für Afrika bestimmt war, durch westliche Sanktionen blockiert. Dies wirkte sich auf die Verschiffung, die Transportversicherung und Zahlungen über das SWIFT-System aus, nachdem die russische Agrarbank aus dem Zahlungssystem verbannt worden war. Und obwohl nur die Hälfte des Getreideabkommens aktiv umgesetzt wird – wenn auch schlecht und nachteilig für einige Beteiligten –, scheinen die Vereinten Nationen nicht bereit zu sein, hier in ihre eigene Initiative korrigierend einzugreifen.

Nach all dem westlichen Vorgaukeln von Entsetzen einigte sich Russland im vergangenen Jahr auf ein Abkommen mit dem Westen, um den Export von sowohl russischem als auch ukrainischem Getreide aus der Region über das Schwarze Meer sicherzustellen. Aber es sieht allmählich so aus, als ob all das Händeringen nur ein Vorwand war, um mehr ukrainisches Getreide in die EU zu verfrachten, während afrikanische Länder laut den Daten der Vereinten Nationen aus der sogenannten Schwarzmeer-Getreide-Initiative jeweils nur ein bis zwei Prozent davon bekommen.

Bis vor Kurzem wurde jeder beschuldigt, mit Desinformation hausieren zu gehen, der auch nur behauptete, ukrainisches Getreide würde größtenteils in die EU fließen. Bereits im Juli 2022 hatten polnische Landwirte befürchtet, dass 80 Prozent des aus der Ukraine kommenden Getreides, das den Weg durch Polen nimmt, auf dem polnischen Markt liegen bleibt. Aber damals hatte der polnische Landwirtschaftsminister behauptet, dass alle Vorwürfe, ukrainisches Getreide werde auf dem polnischen Markt enden, das Ergebnis von "Informationschaos und der Verbreitung falscher Informationen" sei. Der Schaden für die polnischen Landwirte stellte sich anschließend als eine so reale Tatsache heraus, dass derselbe Landwirtschaftsminister nun wegen des Zorns der Landwirte zurücktreten musste und die EU nun echtes Geld auf das von ihr selbst verursachte Problem werfen muss, um den Volkszorn zu löschen.

Aber überlassen wir es der EU, die Verschwendung von Grundnahrungsmitteln in eine Katastrophe zu lenken. Nun, eine Katastrophe für alle – außer vielleicht für Spanien, den Empfänger von 16 Prozent aller Getreidelieferungen im Rahmen des erwähnten Abkommens, das dieses Getreide Berichten zufolge zur Steigerung seiner Produktion und seines Exports von Schweinefleisch verwendet, indem es die für Menschen bestimmten Grundnahrungsmittel an spanische Schweine verfüttert.

Landwirte in anderen Ländern der EU brauchen jetzt Rettungspakete. "Dies ist eine Unterstützung für die Landwirte, die vom Anstieg der Importe aus der Ukraine betroffen sind, und nicht von den Folgen des Krieges", erklärte EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski. "Wir haben eine 'Reserve' für die Krise, und wir haben bislang nur 56 Millionen Euro für die spezifische Situation aufgewendet." Was für ein Schnäppchen! Nur ein paar Dutzend Millionen Euro, um ein völlig selbst herbeigeführtes Problem zu beheben. Eine weitere durchschlagende Kompetenzdemonstration der großkopferten Brüsseler Bürokraten.

Seit Monaten gibt es deutliche Anzeichen dafür, dass der Plan auf eine Katastrophe zusteuert. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte im vergangenen Januar darauf hingewiesen, dass 44 Prozent des ukrainischen Getreides in die EU gelangen und dadurch ihr eigenes Getreide aufgrund der Marktkräfte entwertet wird. Und die europäischen Landwirte scheinen auch nicht glücklich darüber zu sein, ungefragt zu Märtyrern für die Ukraine gemacht zu werden. Sie wurden von ihren eigenen Märkten verdrängt, damit Geld aus Getreideverkäufen nach Kiew fließen kann.

"Tatsächlich sind die Preise auf den lokalen und regionalen Märkten gesunken, was sich erheblich auf das Einkommen der polnischen Landwirte ausgewirkt hat. Die EU-Kommission reagiert nicht schnell genug. Unsere Mitglieder hatten bereits im vergangenen Jahr Bedenken hinsichtlich der Störungen des Marktes geäußert", erklärte Paulo Gouveia, Chefberater für Strategie der europäischen Bauerngenossenschaft Copa Cogeca.

Anscheinend haben die Landwirte einfach keine große Wertschätzung für die Zeit, die Brüssel brauchte, um den riesigen Haufen Bargeld anzuhäufen, der erforderlich war, um das politische Desaster abzufedern, das es sich selbst eingebrockt hatte und das auf die eigenen Bürgern und Wirtschaft eingestürzt war. Polen, Rumänien, Bulgarien, Ungarn und die Slowakei haben wegen der Auswirkungen der Getreideschwemme Alarm geschlagen. "Wir haben durch statistische Daten und Zahlen bewiesen, dass ungarische Landwirte tatsächlich enorme Verluste erleiden, weil das Getreide, das durch diese 'Straße der Solidarität' geht, in Ungarn liegen bleibt, anstatt das beabsichtigte Ziel zu erreichen", so der ungarische Landwirtschaftsminister István Nagy.

Nagy unterstrich zudem, dass ungarische Bauern bis zu 37 Prozent ihres Einkommens wegen des ukrainischen Getreides verloren haben, was die Preise für lokale Produktion nach unten drückte. Die EU hatte jedoch zunächst die Hilfsersuchen Ungarns und der Slowakei abgelehnt und hat erst kürzlich eine weitere Entschädigungsrunde in Betracht gezogen, in die beide Länder eingeschlossen werden sollen. Nagy beschrieb die ursprüngliche Entscheidung, Ungarn und die Slowakei auszuschließen, als politisch, obwohl die Slowakei mittlerweile gesundheitliche Bedenken im Zusammenhang mit Funden nicht zugelassener Pestizide auf ukrainischem Weizen geäußert hat. Und jetzt legt Brüssel mit weiteren 100 Millionen Euro ein Lippenbekenntnis ab, was für die EU im Vergleich zu den Milliarden, die sie regelmäßig in die Weltgegend schleudert, einem Taschengeld gleichkommt.

Diese ganze Überschwemmung der EU mit ukrainischem Getreide hätte vermieden werden können, wenn einfach dafür gesorgt worden wäre, dass das Getreide für den vorgesehenen Zweck verwendet wird. Der russische Präsident Wladimir Putin hat stets darauf hingewiesen, dass die Lieferungen dieser Nahrungsmittel fehlgeleitet wurden.

"Vom 1. August 2022 bis zum 20. März 2023 verließen 827 Schiffe die Ukraine, von denen nur drei Millionen Tonnen Getreide nach Afrika und 1,3 Millionen Tonnen in die ärmsten Länder Afrikas gebracht wurden. Wie ich bereits sagte, gingen fast 45 Prozent an gut ernährte europäische Länder, obwohl dieses Getreideabkommen unter dem Vorwand präsentiert wurde, die Interessen afrikanischer Länder zu wahren", hatte Putin auf der Parlamentarischen Konferenz Russland-Afrika in Moskau Anfang dieses Jahres bemerkt.

Angesichts anhaltender supranationaler Inkompetenz haben Polen, Ungarn und die Slowakei kürzlich beschlossen, die ukrainischen Agrarimporte einfach vollständig zu verbieten, und somit die Angelegenheit selbst in die Hand genommen. Es war überraschend, den führenden Fanclub der Ukraine, Polen, in dieser Zusammenrottung zu sehen. Die Unterstützung für die Ukraine endet offenbar dort, wo die politische Gefahr für Polens regierende Partei beginnt. Polnische Bauern, die gegen die Auswirkungen der ukrainischen Importe auf ihren Lebensunterhalt protestieren, wurden zum Risiko bei den für diesen Herbst angesetzten polnischen Parlamentswahlen und könnten zu einer politischen Belastung werden.

Aber es ist nicht so, dass Polens Solidarität mit seinen Landwirten sehr lange gedauert hätte. Warschau stimmte schließlich zu, das ukrainische Getreideverbot aufzuheben, wodurch es seine Nachbarn mit weniger Einfluss bei den Verhandlungen mit Brüssel zurückließ. Und dies ist sicherlich nur ein Zufall, nachdem die größten Fraktion des Europäischen Parlaments die Polen beschuldigt hatte, sich zusammen mit Ungarn und der Slowakei, auf die Seite Russlands zu schlagen.

"Europäische Regierungen dürfen die Solidarität mit der Ukraine während des Krieges nicht beeinträchtigen. Bevor wir einseitig entscheiden, die Exportwege für ukrainische Waren zu blockieren, benötigen wir detaillierte Informationen darüber, warum dieses Getreide oder andere Produkte nicht weiter aus Europa transportiert wurden und wie hoch die genaue Menge des ukrainischen Getreides oder anderer Produkte ist, die in europäischen Lagern gelandet sind. Wir müssen auch wissen, was die Forderungen der protestierenden Landwirte in den Mitgliedsstaaten sind. Jede einseitige Maßnahme der Mitgliedsstaaten wird nur ein Schritt zugunsten Russlands sein", sagte Sandra Kalniete, die lettische Europaabgeordnete der Europäischen Volkspartei.

Auch das ukrainische Landwirtschaftsministerium machte Druck. "Wir verstehen, dass polnische Landwirte mit einer schwierigen Situation konfrontiert sind, aber wir betonen, dass die ukrainische Landwirte jetzt die schwierigere Situation erleben", betonte das Ministerium.

Anscheinend verfügt Brüssel über einen endlosen Vorrat an Steuergeldern, um die Probleme zu lösen, die es selbst verursacht hat, und alle, von Landwirten bis zu Unternehmen, wegen seiner eigenen nach hinten losgehenden Bemühungen, alles mit Geld zu überschütten und zu retten, nur um Russland inmitten dieser Ukraine-Krise "den Finger zu zeigen".

Aus dem Englischen. Rachel Marsden ist eine Kolumnistin, politische Strategin und Moderatorin eines unabhängig produzierten französischsprachigen Programms, das auf Sputnik France ausgestrahlt wird. Ihre Webseite finden man unter rachelmarsden.com.

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