Gegen die Schande und das Verbrechen deutscher Kriegsbeteiligung: Beiträge zum Frieden mit Russland
Von Mirko Lehmann
Dieses Buch erscheint beinahe als eine Unmöglichkeit im heutigen Deutschland. Wenn es nach politischem Mainstream, angeschlossenen Konzern- und GEZ-Medien sowie der faktisch gleichgeschalteten "Wissenschaft" ginge, dürfte es ein solches Plädoyer in Buchform wie "Dialog statt Waffen" gar nicht mehr geben. Die orchestrierten Kampagnen etwa gegen Gabriele Krone-Schmalz und Ulrike Guérot, Sucharit Bhakdi oder Daniele Ganser, um nur die bekanntesten Dissidenten der jüngsten Krisen zu nennen, sind noch nicht vorüber. Parallel zur Diffamierung geht der Staat in Schauprozessen gegen unliebsame Ärzte, Richter, Anwälte, Journalisten und Wissenschaftler vor. Wer eine andere als die offizielle Sicht auf den Krieg in der Ukraine öffentlich vertritt, bekommt es mit einer Gesinnungsjustiz zu tun, die Gummi-Paragrafen, ganz ähnlich wie zu Zeiten McCarthys in den USA, im Auftrag der Politik gegen Oppositionelle exekutiert. Denn die deutschen Staatsanwaltschaften sind politisch weisungsgebunden.
Überparteilich
Wobei die Kommunistenverfolgungen McCarthys gleich eine nächste Verbindung zu dem erwähnten Konferenzband bilden. Die Berliner Tagung, die er dokumentiert, fand Ende März eben unter dem Titel "Dialog statt Waffen" statt und wandte sich – wie die Unterzeile betonte – "überparteilich gegen den Krieg". Zur Vorgeschichte der Konferenz und des aus ihr hervorgegangenen Buches gehört die Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seiner sogenannten Ampelregierung im Januar 2023, schwere deutsche Kampfpanzer des Typs Leopard 2 an die Ukraine zu liefern. Darauf reagierten wiederum zwei frühere Generäle der NVA – Manfred Grätz und Sebald Daum – mit zwei offenen Briefen, in denen sie gegen die Lieferung des deutschen Kriegsgeräts und die blinde Berliner Vasallentreue gegenüber den USA protestierten – und den Stopp aller Waffenlieferungen an Kiew sowie sofortige Waffenstillstandsverhandlungen forderten. Diesen Appell griff wiederum das Ostdeutsche Kuratorium von Verbänden (OKV) auf.
So lud auf Initiative von Joachim Bonatz und Rainer Rupp das OKV am 27. März 2023 Militärs, Wissenschaftler, Künstler und Friedensaktivisten nach Berlin. Kommunistenverfolgungen? Ein Großteil der 36 Beiträge des Bandes stammt von hochrangigen Militärs der damaligen Nationalen Volksarmee, dazu von anderen Vertretern verschiedener ostdeutscher Verbände, die die Traditionen der DDR in Ehren halten, aber ganz unterschiedliche Biografien haben. Trotzdem war die Konferenz und ist der Band kein DDR-Nostalgie-Produkt. Beteiligt haben sich auch einige Westdeutsche, unter ihnen ehemalige Offiziere der Bundeswehr. Wer möchte, kann sich einen Mitschnitt der Konferenz, den das OKV auf seiner Homepage online gestellt hat, ansehen (Teil 1 und Teil 2).
Vervollständigt wird der von der verdienstvollen Eulenspiegel-Verlagsgruppe publizierte Konferenzband durch die erwähnten beiden offenen Briefe, den von Laura Freiin von Wimmersperg und Rechtsanwalt Hans Bauer initiierten Aufruf "Meinungsfreiheit verteidigen!", schließlich durch die auf der Berliner Tagung verabschiedete Entschließung sowie einen "Aufruf zur Vernunft", der bereits am 22. Juni 2021 veröffentlicht wurde – verfasst ebenfalls überwiegend von Generälen und Offizieren der NVA, aber auch von ehemaligen russischen, österreichischen und Bundeswehr-Offizieren.
Dokumentarischer Charakter
In gewisser Weise ist der Konferenzband, kaum erschienen, schon Geschichte geworden. Denn die Entscheidung von Olaf Scholz, deutsche Panzer für den Kampf gegen Russen und russisches Militär zu liefern, war eine Voraussetzung für die mit viel Pomp über Wochen und Monate angekündigte sogenannte Frühjahrsoffensive der Ukraine. Ohne die Lieferung schwerer Waffen, gerade auch aus Deutschland, wäre Kiew überhaupt nicht in der Lage gewesen, eine weitere Armee zusammenzustellen und in die Schlacht zu schicken. Die USA hatten ihren europäischen Vasallen signalisiert, sie würden ihre Abrams-Panzer schicken, die "Verbündeten" würden sich nicht allein gegen Moskau exponieren. Das war allerdings eine Finte, auf die ein Olaf Scholz hereinfiel. Der Kanzler verkündete, die Deutschen würden nicht die Einzigen sein, die schweres Gerät in die Ukraine lieferten. Kaum dass die vertrauensselige Zusage aus Berlin zur Leopard-Lieferung gemacht worden war, zog Washington zurück und behauptete, aus verschiedenen, darunter Geheimhaltungsgründen, könnten die USA ihre hochmodernen Panzer nicht sofort in die Ukraine liefern, vielleicht aber im nächsten Jahr. Stattdessen stellten die USA der Ukraine nur weniger kampfstarke gepanzerte Mannschaftstransporter zur Verfügung.
Nach langem Hin und Her begann die Ukraine ihre "Frühjahrsoffensive" schließlich Anfang Juni. Ohne auf die Einzelheiten des Kampfgeschehens im Donbass und in den Gebieten Saporoschje und Cherson hier eingehen zu können, kann man zum jetzigen Zeitpunkt feststellen, dass die ukrainische Offensive bislang – nach sechs Wochen – auf ganzer Linie gescheitert ist. Die russischen Truppen halten ihre gut befestigten Stellungen. Kiew hatte wochenlang seine unzureichend ausgerüsteten und schlecht ausgebildeten Soldaten sinnlos gegen die russischen Linien anrennen und sterben lassen. Nun soll London Kiew befohlen haben, die wenigen gelieferten Challenger-2-Panzer von der Front zurückzuziehen. Der schnöde Grund: Die britischen Panzer sollen nicht ebenso reihenweise in Flammen aufgehen wie die deutschen Leopard-2-Kolosse. Von den Challenger 2 – wie von den Abrams-Panzern – soll es keine verstörenden Aufnahmen geben. Das wäre schlecht für das Image (buchstäblich) und schlecht für die Auftragslage der je eigenen Rüstungsindustrie. Wie hatte Generalleutnant a. D. Manfred Grätz in seinem offenen Brief vom Januar 2023 geschrieben:
"Es ist wieder so weit. Von ungezählten Menschen befürchtet, von einer geschichtsvergessenen oder die Geschichte arrogant missachtenden Minderheit, die sich berufen fühlt, das Land zu regieren, und in Vasallentreue dem transatlantischen Bündnispartner folgt, herbeigesehnt und -geredet, von einer einmalig gleichgeschalteten Medienlandschaft eifrig unterstützt und nunmehr vom Bundeskanzler offiziell verkündet: Panzer gen Osten!" (S. 12)
Wie vor einem halben Jahr absehbar war, hat sich die Lieferung deutscher Panzer als militärisch sinnlos herausgestellt. Denn Sebald Daum, Generalmajor a. D., der Verfasser des zweiten offenen Briefes, hatte hellsichtig ebenso im Januar festgestellt:
"Mit dieser Entscheidung verlängert Deutschland nicht nur das Sterben in der Ukraine, sondern wird Kriegspartei. Gleichzeitig wird Russland immer mehr zum Feind des deutschen Volkes aufgebaut und man zerstört endgültig all das, was einmal wichtig war in den freundschaftlichen Beziehungen zu Russland, insbesondere im Osten sowie in der BRD insgesamt." (S. 17)
Ignorierte Vorschichte
Zwar gab es seit dem Euromaidan-Putsch eine Reihe von kritischen Publikationen zum faschistischen Umsturz in der Ukraine – vorwiegend in alternativen Medienportalen und in Buchform von kleinen, meist linken Verlagen. Ein Vorzug des aktuellen Sammelbandes besteht darin, in verschiedenen längeren (z.B. S. 145–173) wie kürzeren Beiträgen die auf Krieg gegen Russland zielende Eskalation nachzuzeichnen, die von den USA und ihren NATO-/EU-Vasallen seit 2013/14 betrieben wurde. Auf die konsequent ausgeblendete Vorgeschichte wies Bernd Biedermann, Oberst a. D. und wenige Tage vor der Konferenz verstorben, in seinem kurzen Beitrag hin.
Der Friedensaktivist Heinrich Bücker, mit staatlichen Repressionen konfrontiert, macht in seinem Text darauf aufmerksam, dass der Februar 2022 nur "die Konsequenz" des Völkerrechtsbruchs darstellt, der am 21. Februar 2014 stattfand – als "der demokratisch gewählte Präsident Wiktor Janukowitsch aus dem Amt geputscht wurde und die bestehenden politischen Verhältnisse gewaltsam beseitigt wurden" (S. 40). Ohne den gewaltsamen Regimewechsel unter faschistischen Vorzeichen und US-Regie von 2014 wäre die Krim heute noch ukrainisch und bestünde in den Grenzen von 1991. Ohne den Putsch hätte es nicht die sich inzwischen auf mehrere hunderttausend belaufende Anzahl an Todesopfern gegeben, und ohne den Putsch wäre die Bevölkerungszahl der Ukraine nicht auf schätzungsweise die Hälfte, wenn nicht sogar weniger, der 52 Millionen Menschen zurückgegangen, die zur Zeit des Zerfalls der Sowjetunion zwischen Karpaten und Donbass lebten.
Deutschland im "Kriegsmodus"
Zur Vorgeschichte des Stellvertreterkrieges gegen Russland in der Ukraine gehört auch die Feststellung, dass die Minsker Abkommen von 2014/15 weder von der Ukraine, die für ihre destruktive Haltung Rückendeckung aus dem Westen bekam, noch von Frankreich oder Deutschland eingehalten werden sollten. Dieser Umstand war Moskau in den acht Jahren zwischen 2014 und 2022 keineswegs verborgen geblieben. Doch die russische Führung hatte ein ums andere Mal an die beiden europäischen Garantiemächte appelliert, Kiew zur Umsetzung der eingegangenen Verpflichtungen zu veranlassen. Nichts dergleichen geschah jedoch, die terroristischen Attacken gegen die eigene Bevölkerung und das Sterben im Donbass gingen weiter. Dazu schreibt der Jurist und Schriftsteller Wolfgang Bittner:
"Eine nochmalige Zuspitzung in den Beziehungen Russlands mit den Westalliierten ist nach einer bestürzenden Aussage der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel eingetreten. In einem Interview sagte sie im Dezember 2022, das Minsker Abkommen von 2014 sei vom Westen geschlossen worden, um der Ukraine Zeit zu geben, stärker zu werden. Der ehemalige französische Präsident Hollande und der ukrainische Ex-Präsident Poroschenko haben das bestätigt." (S. 33)
So musste es aus Moskau nur als konsequent erscheinen, dass die deutsche Außenministerin öffentlich erklärte, "Russland ruinieren" zu wollen und am 24. Januar 2023 – quasi zeitgleich mit der Panzer-Entscheidung des Bundeskanzlers – auf europäischer Bühne erklärte: "Wir führen einen Krieg gegen Russland." Daher hält Eva Ruppert zu Recht fest, es sei
"eine Schande und ein Verbrechen, dass die Nation, die im Zweiten Weltkrieg ungesühnte Verbrechen am russischen Militär und an der Zivilbevölkerung verübt hat, jetzt wieder gegen Russland mörderisches Kriegsgerät schickt." (S. 136 f.)
Dass und wie es wieder so weit kommen konnte, erörtert der bereits erwähnte Hans Bauer in seinem Beitrag, der unter dem Titel "Meinungsfreiheit versus Meinungsdiktatur" steht. Die Politik der deutschen Regierung folge dem Leitsatz "Waffen statt Dialog". Der faktische "Kriegskurs" sei nur unter der Voraussetzung und Bedingung möglich, dass ein Großteil des Volkes zustimmt, "zumindest keinen ernsthaften Widerstand" leistet. Bauer schreibt:
"Wie ist es gelungen, einen großen Teil der Menschen 'kriegsreif' zu machen? Die Antwort ist einfach: durch Gebrauch und Missbrauch aller staatlichen Gewalten – der Legislative, der Exekutive und der Jurisdiktion. Mit dem Ergebnis: Massenmanipulation, Einschüchterung, Verdummung. Nichts Neues. In der Dimension und Intensität m. E. aber doch eine neue Qualität. Und dabei spielen die überwiegend abhängigen Medien – die sogenannte vierte Gewalt – eine entscheidende Rolle. Die Medien preisen den Kriegskurs und werben für ihn in der Öffentlichkeit, predigen Feindschaft im Stile faschistischer Vergangenheit." (S. 19)
Der Konferenzband macht auch deutlich, zu welchem Vertrauensverlust in Moskau die US-bestimmte NATO- und deutsche Politik seit 1989/90 geführt hat. Falls je wieder eine Chance für eine eigenständige deutsche Politik gegenüber Moskau bestehen sollte, muss die deutsche Diplomatie ganz von vorn anfangen. Diesmal dürfte es für die Bundesrepublik, sollte sie dann noch existieren, schwieriger werden als 1955, als Adenauer nach Moskau reiste. Berlin hat in den zurückliegenden Jahren Spielräume nicht genutzt, die selbst Bonn während des Kalten Krieges zu nutzen wusste. Um von Berlin, Hauptstadt der DDR, an dieser Stelle nicht zu reden. Dafür haben die Regierungen Merkel (rückwirkend betrachtet) und Scholz die Beziehungen zu Moskau auf nahezu jeder Ebene (Sanktionen) durch ihre manisch russophobe Politik so gut wie irreparabel beschädigt. Daher wird man in Moskau künftigen deutschen Beteuerungen und Abmachungen mit Berlin noch weniger Vertrauen als bisher entgegenbringen.
"Dialog statt Waffen – Frieden mit Russland"
Im Rahmen dieser Besprechung ist es unmöglich, auf alle Konferenzbeiträge einzugehen, nicht einmal auf die Artikel der schon erwähnten bekannten Autoren oder auf die Texte von Wolfgang Effenberger, Tino Eisbrenner, Liane Kilinc, Anton Latzo, Max Renkl oder Jürgen Rose – um nur einige weitere bekannte Namen zu nennen.
Dafür sei aus der Entschließung zitiert, die auf der Berliner Konferenz verabschiedet wurde. Darin heißt es unter anderem:
"In der großen Gefahr, in der sich aktuell unsere Völker befinden, haben wir keine Zeit mehr, uns über parteipolitische Differenzen und unterschiedliche Orientierungen zu streiten. Stattdessen müssen wir uns auf das konzentrieren, was uns eint!"
Und weiter:
"Die Zukunft unserer Kinder und Enkel und die Erhaltung menschlichen Lebens auf unserer Erde erfordern, dass Deutschland und seine Wirtschaft nicht einer Politik westlicher 'regelbasierter Ordnung' zum Opfer fallen, die Russland 'zerstören' will und sich auf einen Krieg gegen China vorbereitet."
Der Krieg in der Ukraine sei langfristig geplant und de facto spätestens 2014 begonnen worden. So trage Deutschland "als Kriegspartei mit Waffenlieferungen, Geld und militärischer Ausbildung an vorderster Front zur weiteren Eskalation dieses Krieges" bei.
"Es rüstet auf, macht die Bevölkerung kriegsreif und verfolgt Friedensaktivisten. Mit Hass und Hetze schürt es die Feindschaft gegen Russland. Die Regierung verstößt gegen ihren Amtseid [...] Diese Politik führt in einen Weltkrieg, der keine Sieger kennen wird."
Es komme nun darauf an, "die Kriegsspirale zu stoppen" und "gegen die deutsche Unterstützung zur Verlängerung des Krieges" zu protestieren. Die Konferenzteilnehmer forderten ein "Ende des Kriegskurses durch einen gerechten Frieden, der die Sicherheit Russlands und eine friedliche antifaschistische Ukraine garantiert".
Die Entschließung endet mit folgendem Appell:
"Warten wir nicht, bis es wieder zu spät ist!
Wir sehen unsere Veranstaltung eingeordnet als weitere Stimme für den Frieden, damit sie stärker wird und Kraft in der Breite gewinnt."
In diesem Sinne ist dem Buch in der Tat eine möglichst weite Verbreitung und große Wirkung zu wünschen.
Dialog statt Waffen. Überparteilich gegen den Krieg. Texte von einer Konferenz am 27. März 2023 in Berlin. Herausgegeben von Joachim Bonatz und Rainer Rupp. Berlin: verlag am park, 2023. 214 Seiten; 15,– €; ISBN: 978-3-89793-367-5.
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