Vergessen Sie nicht den WaPo-Bericht über die Pläne Kiews, den Kachowka-Damm zu sprengen
Von Andrew Korybko
Nach der teilweisen Zerstörung des Kachowka-Staudamms am frühen Dienstagmorgen tauschten Kiew und Moskau Anschuldigungen darüber aus, wer wohl die Schuld trägt. Doch ein Bericht in der Washington Post (WaPo) Ende Dezember 2022 macht die Version aus dem Kreml glaubwürdiger. Unter dem Titel "Inside the Ukrainian counteroffensive that shocked Putin and reshaped the war" (Einblicke in die ukrainische Gegenoffensive, die Putin schockierte und den Krieg neu gestaltete) zitierten die Journalisten den ehemaligen Kommandeur der Gegenoffensive von Cherson im November, Generalmajor Andrei Kowaltschuk, der in schockierender Weise selbst zugab, dieses Kriegsverbrechen geplant zu haben:
"Kowaltschuk erwog die Überflutung des Flusses. Die Ukrainer hätten sogar einen Testangriff mit einem HIMARS-Werfer auf eines der Schleusenklappen am Nowa-Kachowka-Damm durchgeführt und dabei drei Löcher in das Metall gebohrt, um zu sehen, ob das Wasser des Dnjepr damit so weit angehoben werden kann, dass die Russen den Fluss nicht mehr überqueren können, ohne dabei die umliegenden Dörfer zu überfluten. Der Test war ein Erfolg, sagte Kowaltschuk, aber dieser Schritt blieb ein letztes Mittel, hielt er sich noch zurück."
Seine Bemerkung, dass "der Schritt ein letzter Ausweg blieb", ist in Anbetracht der Tatsache, dass die erste Phase der von der NATO unterstützten Gegenoffensive Kiews nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums am Montag vollständig gescheitert ist, durchaus angebracht. So wie die Ukraine Ende Mai ihre Stellvertreterinvasion in Russland startete, um von ihrer Niederlage in der Schlacht von Artjomowsk abzulenken, so scheint sie nun auch das von Kowaltschuk geplante Kriegsverbrechen durchgezogen zu haben, um von dieser jüngsten Blamage abzulenken.
Die oben genannte Erklärung ist auch nicht so weit hergeholt, wie manche zunächst denken mögen. Schließlich besagt eine der Regeln der Komplexitätstheorie, dass Anfangsbedingungen beim Einsetzen eines nichtlinearen Prozesses das Endergebnis überproportional beeinflussen können. In diesem Zusammenhang drohte die erste gescheiterte Phase der Kiewer Gegenoffensive die gesamte Kampagne zu ruinieren, was die Planer dazu veranlasst haben könnte, Kowaltschuks "letzten Ausweg" einzusetzen, um eine unerwartete Variable in die Gleichung einzuführen, die ihre Chancen verbessern könnte.
Russland hatte mehr als 15 Monate Zeit, sich in den ehemaligen östlichen und südlichen Regionen der Ukraine, die Kiew immer noch für sich beansprucht, durch den Bau verschiedener Verteidigungsanlagen und der damit verbundenen Vorbereitung auf den Ernstfall zu verschanzen, um die Kontrolle über diese Gebiete zu behalten. Daraus folgt, dass selbst die am besten ausgestattete und durchdachte Gegenoffensive entgegen den Erwartungen der westlichen Öffentlichkeit kein Spaziergang werden würde, was erklärt, warum die erste Phase soeben gescheitert ist.
Dieser Realitätscheck machte alle Wunschvorstellungen Kiews zunichte, denn er zeigte, dass der ursprüngliche Plan, die Kontaktlinie zu überrennen, mit beträchtlichen Kosten einhergeht, die die Erfolgsaussichten schmälern, wenn nicht hinter der Front etwas Ernsthaftes passiert, um die russischen Verteidiger abzulenken. Darin liegt der strategische Grund für die teilweise Zerstörung des Kachowka-Damms am Dienstagmorgen – genau so, wie es Kowaltschuk Ende letzten Jahres gegenüber WaPo selbst einräumte, dass dies möglich wäre.
Das erste Ziel, das Kiew mit diesem Terroranschlag verfolgte, bestand darin, weltweit Besorgnis über die Sicherheit des von Russland kontrollierten Kernkraftwerks Saporoschje auszulösen, das zur Kühlung auf das Wasser aus dem sich nun rasch entleerenden Kachowka-Stausee angewiesen ist. Die Internationale Atomenergiebehörde erklärte allerdings, es bestehe "kein unmittelbares nukleares Sicherheitsrisiko", aber ein potenzielles Risiko könne nicht ausgeschlossen werden. Sollte es zu einer Krise kommen, könnte dies die russischen Verteidigungsanlagen in der nördlichen Region Saporoschje ins Chaos stürzen.
Das zweite Ziel ist, dass die flussabwärts gelegenen Gebiete der Region Cherson, die derzeit zwischen Kiew und Moskau aufgeteilt sind, nun überflutet wurden. Auch wenn das Wasser nach einiger Zeit wieder zurückgeht, könnte dies die russischen Verteidigungspläne am linken Ufer des Dnjepr erschweren. Zusammen mit den Folgen des ersten Szenarios bedeutet dies, dass ein bedeutender Teil der Uferfront hinter der Kontaktlinie bald aufweichen könnte, um die nächste Phase der Kiewer Gegenoffensive zu begünstigen.
Die geografische Reichweite der "unkonventionellen Aufweichungsoperation" Kiews könnte sich sogar auf die Krim ausweiten, da der Terroranschlag vom Dienstagmorgen die künftige Wasserversorgung der Halbinsel über den gleichnamigen Kanal gefährden könnte. Der Gouverneur der Region erklärte, dass die Wasservorräte vorerst ausreichend seien, dass aber die kommenden Tage zeigen würden, wie groß das Risiko ist. Auch wenn die Krim die Blockade des Kanals durch Kiew acht Jahre lang überlebt hat, ist diese Entwicklung für Russland zweifellos von Nachteil.
Das vierte strategische Ziel baut auf den drei bereits erläuterten auf und betrifft die psychologische Komponente dieses Angriffs. An der Auslandsfront wurde die von Kiew verbreitete Behauptung, Moskau sei des "Ökozids" schuldig, von den Mainstream-Medien dort verstärkt – trotz des belastenden Bekenntnisses von Kowaltschuk gegenüber der WaPo im vergangenen Dezember –, um den globalen Druck auf Russland zu maximieren, während die Inlandsfront darauf abzielt, in den ehemals ukrainischen Regionen möglichst Panik zu verbreiten und somit Russlands Verteidigungsposition dort weiter zu schwächen.
Und schließlich ist das letzte strategische Ziel, das mit der teilweisen Zerstörung des Kachowka-Staudamms erreicht wurde, dass Russland bald in ein Dilemma geraten könnte: Kiews "unkonventionelle Aufweichungsoperation" entlang der Kontaktlinie Cherson –Saporoschje könnte im Kreml den Fokus von den Fronten Belgorod – Charkow und Donbass ablenken, was eventuell eine dieser drei Fronten schwächen und damit einen Durchbruch riskieren könnte. Die Verteidigungsstellung könnte für Russland noch schwieriger werden, wenn Kiew den Konflikt ausweitet und auch Weißrussland und/oder Moldawien angreift.
Um es ganz klar zu sagen: Die militärisch-strategische Dynamik des Stellvertreter-Krieges zwischen der NATO und Russland in der Ukraine bewegt sich derzeit immer noch zugunsten Russlands, aber genau deshalb hat Kiew mit dem Terroranschlag vom Dienstagmorgen einen verzweifelten Versuch unternommen, sie zu Gunsten der Ukraine umzukehren. Diese Einschätzung beruht auf der Feststellung, dass Russlands Sieg in der Schlacht von Artjomowsk zeigt, dass es in der Lage ist, sich im "logistischen Wettlauf"/"Zermürbungskrieg" gegen die NATO zu behaupten, den der Generalsekretär als sogenannter Sprecher des US-geführten Militärblocks Mitte Februar verkünden durfte.
Darüber hinaus räumte selbst die New York Times ein, dass die Sanktionen des Westens die russische Wirtschaft nicht zum Einsturz gebracht und das Land nicht isoliert haben, während einige der einflussreichsten Politiker mittlerweile zugaben, dass es unmöglich ist, die Ausbreitung multipolarer Prozesse in den 15 Monaten seit Beginn der Sonderoperation zu leugnen. Dazu gehören der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, das ehemalige Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates der USA, Fiona Hill, und der Präsident für globale Angelegenheiten von Goldman Sachs, Jared Cohen.
Die in den beiden vorangegangenen Abschnitten beschriebene militärisch-strategische Dynamik wird den Westen unweigerlich zur Niederlage im bisher größten Stellvertreterkonflikt dieses Neuen Kalten Krieges verdammen, wenn nicht unerwartet etwas Wesentliches geschieht, um das noch abzuwenden, und genau das hat Kiew mit seinem jüngsten Terroranschlag zu erreichen versucht. Der Grund, warum nur wenige dies vorhersahen, liegt darin, dass Kowaltschuk im vergangenen Dezember gegenüber der Washington Post einräumte, dass seine Seite bereits zuvor geplant hatte, einen Teil des Kachowka-Damms im Rahmen ihrer Gegenoffensive in Cherson in die Luft zu sprengen.
Es schien daher vielleicht kaum denkbar, dass Kiew nun über ein halbes Jahr später genau das tat und dann Moskau auch noch die Schuld zuschieben wollte. Und zwar, obwohl die Mainstream-Medien selbst viel früher bereits über die Existenz dieser ukrainischen Terrorpläne berichtet hatten, indem sie einen ukrainischen Generalmajor zitierten, der damals damit geprahlt hatte. Die Erinnerung an diese Tatsache ändert nichts an den Geschehnissen, aber sie kann die Wahrnehmung dieses Konflikts in der westlichen Öffentlichkeit stark beeinflussen, weshalb man diese Öffentlichkeit auf den Bericht der Washington Post noch einmal aufmerksam machen sollte.
Übersetzt aus dem Englischen
Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger amerikanischer Politologe, der sich auf die US-Strategie in Afrika und Eurasien sowie auf Chinas Belt & Road-Initiative, Russlands geopolitischen Balanceakt und hybride Kriegsführung spezialisiert hat.
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