Meinung

Twitter: Keine rechte Plattform, sondern ein Ort der freien Meinungsäußerung

Die Welt steht dann Kopf, wenn Liberale eine mangelnde Zensur auf dem globalen digitalen Marktplatz der Meinungen beklagen. Anstatt Twitter voreilig als "rechtes soziales Netzwerk" zu brandmarken, sollten wir es als das wertschätzen, was es wirklich ist.
Twitter: Keine rechte Plattform, sondern ein Ort der freien MeinungsäußerungQuelle: Gettyimages.ru © Jaap Arriens/NurPhoto

Von Ian Miles Cheong

Seit seiner Gründung ist Twitter ein Treffpunkt für Dialog, Debatten und den Austausch von Ideen. Heute führt die Plattform, neu unter der Leitung von Elon Musk, diese Tradition fort – wenn auch mit gewissen Anpassungen, die zu einer genaueren Betrachtung einladen, denn Kritiker bezeichnen diese Anpassungen als einen "Abstieg in den Rechtsextremismus".

Bei näherer Betrachtung scheinen diese Behauptungen jedoch eher auf der Angst vor einem echten Marktplatz für Ideen und Meinungen und weniger auf einer Transformation des Zwecks oder der Ideologie von Twitter zu beruhen. Twitter sei zu einer "Plattform aus der Hölle" geworden, behaupten die Kritiker. Doch die Realität ist, dass Twitter unter der Führung von Elon Musk eine Metamorphose durchgemacht hat. Die Entwicklung des sozialen Mediums geht nicht etwa in Richtung eines ideologischen Extrems, sondern vielmehr in Richtung der Rückgewinnung seines ursprünglichen Versprechens: eine Plattform zu sein, auf der jeder Stimme und jeder Perspektive die Möglichkeit gegeben wird, gehört zu werden.

Kritiker verweisen auf die angebliche Wandlung von Twitter in ein "rechtes soziales Netzwerk", wie Charlie Warzel kürzlich in seinem Artikel für The Atlantic schrieb. Als Beweis dafür sehen sie die Führung von Musk und seinen lautstarken Widerstand gegen das, was er als "Virus der woken Geisteshaltung" bezeichnet. Ihre Kritik übersieht jedoch bequemerweise die Tatsache, dass eine Abneigung gegen das, was man als extreme politische Korrektheit empfindet, nicht automatisch mit einer rechtsextremen Ideologie in Einklang gebracht werden kann.

Darüber hinaus scheinen die Argumente der Kritiker die Plattform mit ihren Nutzern zu verwechseln. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass die Präsenz konservativer Stimmen auf Twitter die Plattform nicht in ein "rechtes soziales Netzwerk" verwandelt. Twitter ist – wie im Übrigen jede Social-Media-Plattform – ein Spiegel der Gesellschaft, und spiegelt somit die Ideologien und Überzeugungen seiner vielfältigen Nutzerbasis wider.

Weiter verweisen die Kritiker auf die Partnerschaft zwischen Twitter und konservativen Persönlichkeiten wie dem Gouverneur und Präsidentschaftskandidaten von Florida, Ron DeSantis, dem Journalisten und Fernsehmoderator Tucker Carlson und weiteren Persönlichkeiten aus dem Umfeld von The Daily Wire. Und sie behaupten, dass die Plattform als "Startrampe für rechte politische Meinungsführer" fungiere.

Allerdings muss man sich fragen, ob man eine solche Behauptung auch aufgestellt hätte, wenn Twitter diese Partnerschaften stattdessen mit liberalen Persönlichkeiten eingegangen wäre. Würde man die Plattform dann als "soziales Netzwerk der Linken" bezeichnen? Wohl kaum. Die Freiheit, unterschiedliche Standpunkte zu äußern, ob liberal, konservativ oder anders, sollte nicht als Befürwortung dieser Ansichten durch die Plattform angesehen werden. Stattdessen sollte Twitter als Festspiel der freien Meinungsäußerung verstanden werden, die ein Eckpfeiler jeder funktionierenden Demokratie ist.

Dieselben Kritiker argumentieren, dass Twitter sich in eine Echokammer für Rechtsextreme verwandelt habe. Sie verweisen in diesem Zusammenhang auf Fälle, wo User, die zuvor wegen Verstößen gegen die Twitter-Regeln gesperrt worden waren, wieder freigeschaltet wurden. Ist es aber nicht plausibel, dass die Wiederherstellung dieser Nutzerkonten eine Neukalibrierung dessen darstellt, was einen akzeptablen Diskurs auf der Plattform ausmacht? Vielleicht entfernt sich Twitter unter Musk von früheren Community-Standards – die viele als übermäßig zensierend empfunden haben – hin zu einer offeneren Arena für Debatte und Dialog.

Wenn man eine Verschiebung hin zum Absolutismus der freien Meinungsäußerung als eine von Natur aus rechtsextreme Position wahrnimmt, dann hat sich vielleicht nicht Twitter geändert, sondern vielmehr unser Verständnis davon, was liberale Ideale wirklich bedeuten. Im Kern setzt sich der Liberalismus für eine offene Diskussion, bürgerliche Freiheiten und das Recht ein, seine Meinung ohne Angst vor Vergeltung zu äußern. Wenn das nun rechtsextreme Eigenschaften sind, dann befinden wir uns tatsächlich in einer paradoxen Situation.

Die Kritiker warnen zudem davor, dass Twitter, indem es sich in diese vermeintlich rechte Echokammer hineinlehnt, auf dem Weg sei, "langweilig" und vorhersehbar zu werden. Ganz ähnlich wie andere soziale Netzwerke, die einer bestimmten Ideologie dienen. Ihre Argumentation basiert jedoch auf einer falschen Prämisse: Twitter bedient sich nicht einer bestimmten Ideologie, sondern öffnet lediglich die Türen für Diskurse und Debatten. Es ist unaufrichtig, eine Plattform allein aufgrund der Nutzer, die sich darauf bewegen, als "ganz rechts" oder "ganz links" zu bezeichnen. Twitter unterstützt keine bestimmte ideologische Haltung, weil es zulässt, dass unterschiedliche Meinungen gehört werden können –  es bietet lediglich einen Raum für die Äußerung dieser Ansichten.

Die Präsenz von Konservativen, Liberalen und allen anderen dazwischen sollte als Spiegelbild unserer heterogenen Gesellschaft und nicht als politische Befürwortung durch Twitter oder Musk selbst betrachtet werden. Die Stärke jeder Demokratie liegt in ihrer Fähigkeit, verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen und einen gesunden Dialog zu führen. Twitter scheint unter Musk genau das zu bieten.

Die Kritiker weisen zudem darauf hin, dass Twitter unter Musk zunehmend zu einer Bastion für Persönlichkeiten werde, die aufgrund ihrer kontroversen Ansichten anderswo verdrängt worden seien. Obwohl diese Kritik berechtigt ist, tappen sie auch hier in eine Vereinfachungsfalle. Social-Media-Plattformen haben die Pflicht, ihre Community-Richtlinien mit den Idealen der freien Meinungsäußerung in Einklang zu bringen – eine Aufgabe, die in unserer polarisierten Zeit immer schwieriger wird. Die Entscheidung von Musk, diesen Stimmen ein Podium zu bieten, könnte als Herausforderung für die übereifrige Zensur angesehen werden, die einige Nutzer als Teil des früheren Twitter-Regimes empfanden – und es finden sich in den Twitter-Files zahlreiche Beweise, die diese Behauptungen stützen.

Es gibt auch viele Zweifel hinsichtlich des Überlebens und der Relevanz von Twitter in der Social-Media-Landschaft. Und es wird spekuliert, dass Twitter verschwinden könnte, weil es zu einem Echoraum des rechten Diskurses geworden sei. Diese Ansicht verkennt jedoch die Realität der riesigen und vielfältigen Nutzerbasis von Twitter. Nicht jeder, der Twitter nutzt, teilt dieselbe politische Ausrichtung oder Sichtweise der anderen Nutzer. Die Plattform lebt von der Lebendigkeit und Vielfalt ihrer Nutzer und ist weit davon entfernt, eine monotone Echokammer zu sein. Allein die Tatsache, dass Kritiker ihre Bedenken gegenüber Twitter ausgerechnet auf Twitter offen äußern können, ist ein Beweis für das Engagement des Unternehmens für die freie Meinungsäußerung.

Schließlich ist es wichtig zu verstehen, dass der Charakter einer Social-Media-Plattform, einschließlich von Twitter, nicht nur die Werte ihrer Eigentümer oder Manager widerspiegelt. Er spiegelt auch die Werte, Ideen und Diskurse seiner Nutzerbasis wider. Twitter ist ein Raum, in dem jeder – vom Staatsoberhaupt bis zum gewöhnlichen Bürger – seine Gedanken frei äußern kann. Twitter ist mehr als nur eine Social-Media-Plattform: Es ist der neue globale Treffpunkt auf der digitalen Ebene.

Anstatt Twitter voreilig als "rechtes soziales Netzwerk" zu brandmarken, sollten wir es als das wertschätzen, was es wirklich ist: Eine dynamische Plattform, die einen offenen Austausch von Ideen ermöglicht.

Wenn wir einen digitalen Raum mit jemandem teilen, dessen Ideen sich drastisch von unseren unterscheiden, sollten wir das nicht als Bedrohung, sondern als Chance betrachten, unsere eigenen Perspektiven zu erweitern. Schließlich entstehen im Schmelztiegel einer energischen und hemmungslosen Debatte oft tiefgreifende Ideen. Und dafür sollten wir dankbar sein.

Aus dem Englischen

Ian Miles Cheong ist ein Politik- und Kulturkommentator. Seine Arbeiten wurden in The Rebel, Penthouse, Human Events und The Post Millennial veröffentlicht. Man kann Ian auf Twitter unter @stillgray und auf Telegram @CultureWarRoom folgen.

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