Schwimmen mit dem Strom – Linken-Chefin Wissler im Interview
Von Gert Ewen Ungar
Obwohl die Ampel-Koalition hoffnungslos zerstritten ist, gelingt es der Partei "Die Linke" nicht, daraus Profit zu schlagen. In den Umfragen dümpelt sie seit der letzten Bundestagswahl unterhalb der Fünfprozenthürde vor sich hin.
In einem Interview mit der ARD wird deutlich, dass sich daran auch in nächster Zukunft wenig ändern wird. Die Linke hat keinen Biss, keine Vision, kein tragfähiges Konzept für Deutschland und Europa. Im Gegenteil, die Partei arbeitet gegen die Interessen ihrer eigenen Wählerschaft und zielt ganz offenkundig mehr auf eine mögliche Koalitionsfähigkeit als auf die Umsetzung echter linker Politik. Die Linke, das wird aus dem deutlich, was Wissler sagt, verfolgt eine Politik der gesellschaftlichen Spaltung. Interessen werden gegeneinander ausgespielt. Die Linke ist immer weniger eine linke Partei.
Wissler macht in dem Interview alles falsch, was man falsch machen kann. Sie ist nicht um gesellschaftlichen Ausgleich besorgt, sondern um die Umsetzung einer Agenda. Sie redet an den Problemen ihrer Wählerklientel vorbei, statt sich um Verstehen zu bemühen und nach echten Lösungen zu suchen. Im Zweifelsfall haut sie mit der Faschismuskeule auf jene verbliebenen Wähler der Linken, die sich der woken Großstadtagenda verweigern und treibt sie so in Richtung AfD.
Ganz deutlich wird das am Themenfeld Klimawandel sowie am Thema Flüchtlinge und Zuwanderung. Im politischen Windschatten der Grünen übernimmt Wissler diese Themen nahezu eins zu eins und gibt ihnen ein ähnliches programmatisches Gewicht. Der gesellschaftliche Zusammenhalt wird dem Klima und der Aufnahme von Flüchtlingen untergeordnet. Irgendwie muss dies sozial verträglich gestaltet werden, irgendwie müssen auch Flüchtlingsursachen bekämpft werden, meint Wissler – wie das zu schaffen ist, das sagt sie nicht. Zumindest nicht konkret. Sie drischt Phrasen.
So will sie diejenigen, die im Privatjet von Hamburg nach Sylt fliegen, zur Kasse bitten, ebenso die Eigentümer von großen Jachten. Damit sind wir der Lösung der zentralen Probleme dieser Zeit doch einen großen Schritt näher gekommen, möchte man an dieser Stelle des Interviews sarkastisch einwerfen. In der Logik verbleibt sie in dem von den Grünen abgesteckten Rahmen. Wenn man in Deutschland verzichtet und verbietet, rettet man das globale Klima. Das ist bei den Grünen absurd, und wenn es eine Politikerin der Linken sagt, wird es nicht sinnvoller. Reiche tragen für den Klimawandel eine größere Schuld als Arme, und müssen daher mehr dafür bezahlen – das ist die einzige Reminiszenz, die an linkes Klassenbewusstsein erinnert. Sie ist obendrein in ihrer Absurdität auch noch völlig verunglückt.
Es geht Wissler lediglich darum, dass eine andere gesellschaftliche Gruppe umfassender verzichten soll als unter grüner Politik und dass sie ein paar andere Verbote durchsetzen würde. Die Industrie beispielsweise soll einen höheren Beitrag leisten, fordert Wissler. Die Linke sei bereit, sich mit der Industrie anzulegen, die Grünen dagegen nicht, behauptet sie. Das wirkt in seiner Realitätsverweigerung bedrohlich, denn faktisch hat Deutschland gerade sein Geschäftsmodell verloren. Der Erfolg des ehemaligen Exportweltmeisters basierte neben Lohndumping auf der Verfügbarkeit von günstiger Energie aus Russland. Lohndumping gibt es noch, billige Energie aus Russland dagegen nicht mehr.
Deutschland ist als einziges OECD-Land in der Rezession, ganze Industriezweige wandern ab, die Rede ist von einer Deindustrialisierung Deutschlands. In diesem Zusammenhang wirkt der Vorschlag, man müsse die Industrie mal kräftig zur Kasse bitten, weil "irgendwas mit Klima", wenig wirtschaftskompetent. Wissler macht im Gegenteil deutlich, dass sie bereit ist, für ein rein ideologisches Ziel den Wohlstand Deutschlands endgültig zu opfern, die Arbeitslosigkeit in die Höhe zu treiben und gesellschaftliche Verwerfungen in Kauf zu nehmen.
Entsprechend zynisch wirkt es, wenn die Linken-Chefin die Erhöhung des Mindestlohns um 41 Cent zum 1. Januar 2024 begrüßt. Die Inflation lag im Juni bei 6,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Diese "Erhöhung" bedeutet also einen massiven Kaufkraftverlust für die Geringverdiener in Deutschland. Die Linke hat ihre eigene Klientel völlig aus den Augen verloren. Sie war gegenüber den Ausgebeuteten der Republik schon mal deutlich solidarischer.
Ähnlich desaströs argumentiert Wissler bezüglich des Umgangs mit Flüchtlingen. Nur 4 Prozent trauen der Linken zu, das Problem von Flüchtlingen und Zuwanderung zu lösen. Dass das Misstrauen der restlichen 96 Prozent berechtigt ist, belegt Wissler mit ihren Ausführungen zum Thema. Sie will Fluchtursachen bekämpfen und nicht Flüchtlinge, sagt sie. Das klingt gut, ist aber reiner Populismus. Sie will den Kampf gegen Rassismus mit dem Kampf für soziale Gerechtigkeit verbinden. Auch das klingt gut und ist schön populistisch. Es fehlt an Inhalt.
Dass Menschen mit Migrationshintergrund bei der Wohnungssuche und bei der Bildung benachteiligt werden, müsse sich ändern, fordert die Parteichefin der Linken. Wissler übersieht dabei indes ein generelles Problem: Es gibt in deutschen Städten weder für Deutsche noch für Menschen mit Migrationshintergrund günstigen Wohnraum. Die Wohnungsnot trifft alle. Aus dem Plan der Ampel-Koalition, im Jahr 2022 für 400.000 neue Wohnungen zu sorgen, wurden nichts. Es wurden 250.000, und es werden in diesem Jahr noch weniger.
Deutschland scheitert immer deutlicher an der Grundversorgung seiner Bürger mit dem Notwendigsten. Die privat betriebenen Tafeln brechen unter dem immer größer werdenden Andrang zusammen. Der Staat zieht sich aus der Verantwortung und leitet das Sozialsystem immer deutlicher von Sozialstaat mit Rechtsanspruch zur freiwilligen Armenspeisung und Almosengabe über. Eigentlich sind all das ideale Bedingungen für wachsende Zustimmungswerte einer linken Partei – wenn man denn eine hätte. Die Linke ist keine.
Dem deutschen Bildungssystem wird seit Jahr und Tag vertikale Undurchlässigkeit bescheinigt. Kinder aus Familien mit niedrigem Einkommen haben ganz unabhängig von einem Migrationshintergrund schlechtere Bildungschancen, werden seltener gefördert und haben damit deutlich geringe Chancen gesellschaftlich aufzusteigen.
In diesem Umfeld die weitere Aufnahme von Flüchtlingen zuzusagen, wirkt wie eine Ansage aus dem Elfenbeinturm. Deutschland ist aktuell nicht in der Lage, die Anforderungen zu erfüllen, die an ein Aufnahmeland gestellt werden. Es hat massive wirtschaftliche Probleme, die es zunächst zu lösen gilt. Es fehlt an allem. Diese Analyse anzustellen, ist nicht rechts, sondern notwendig. Sich ihr zu verweigern, ist nicht links, sondern dumm.
Die Linke wird damit zum wichtigen Wahlhelfer rechter Kräfte in Deutschland. Das übrigens schon seit Jahren. Die ehemalige Parteivorsitzende Katja Kipping forderte das bedingungslose Grundeinkommen und gleichzeitig offene Grenzen. Jeder, der diesen Unsinn kritisiert hat, wurde als rechts verunglimpft. Unter anderem Sahra Wagenknecht.
Es ist leider so. Die Partei Die Linke ist keine linke, politische Alternative. Sie richtet sich mit ihrer Programmatik an eine bürgerlich-liberale, urbane Klientel. Die aber wird schon von den Grünen bedient. Denjenigen, die sich angesichts von wachsenden Unsicherheiten, wirtschaftlichem Abschwung, schlechter werdender Versorgung berechtigte Sorgen machen, denen verweigert sich die Linke als politischer Repräsentant – wie alle anderen Parteien auch. Sie macht es sich einfach und verunglimpft diese Menschen im Gegenteil regelmäßig als rechts. Damit aber macht sich "Die Linke" als Partei überflüssig.
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