Russland vollzieht den größten geopolitischen Wandel seit 300 Jahren
Von Dmitri Trenin
Der Russland-Afrika-Gipfel in Sankt Petersburg war ein Meilenstein in der außenpolitischen Konzeption und Praxis Moskaus. Nicht so sehr, weil es Dutzende afrikanischer Staatsoberhäupter und hochrangige Beamte in die Stadt brachte. Es liegt auch nicht daran, dass die Agenda des Gipfels über reine Wirtschaftsfragen hinausging, sondern eine humanitäre Dimension mit einschloss. Das ist wichtig, aber das ist noch nicht alles.
Im Wesentlichen zeugt das Treffen, mit seiner bürokratischen Vorbereitung und der breiten öffentlichen Berichterstattung in Russland, von einem tiefgreifenden Wandel in der Weltanschauung und internationalen Positionierung Moskaus, gegenüber der wachsenden nichtwestlichen Mehrheit der Welt, wie im kürzlich verabschiedeten "außenpolitischen Konzept" festgelegt wurde. Sankt Petersburg wurde im frühen 18. Jahrhundert von Peter dem Großen als "Fenster nach Europa" gegründet. Vergangene Woche diente die Stadt als Fenster nach Afrika.
Natürlich ist der Eurozentrismus immer noch tief im Denken und Bestreben der russischen Elite verankert. Dennoch hat nach dem Untergang der Sowjetunion das Scheitern der ernsthaften Bemühungen Russlands für eine Integration in den Westen nun zu einem Stellvertreterkrieg gegen die Vereinigten Staaten und die NATO in der Ukraine geführt. Dies hat zu einem historischen Wandel in der Politik Moskaus geführt, der in seiner Bedeutung mit jenem Wandel in der Zeit Peters des Großen vergleichbar ist, allerdings in eine völlig andere Richtung. Auf absehbare Zeit wird das Universum der russischen Außenpolitik in zwei große Teile gespalten bleiben: das Haus der Feinde, zu dem Europa, Nordamerika und der Rest der Anglosphäre gehören, und das Haus der Freunde in anderen Teilen der Welt. Die Trennlinie zwischen beiden Häusern ist die jeweilige Position eines Staates in Bezug auf das Sanktionsregime gegen Russland.
Afrika wohnt in dieser Hinsicht weitgehend im Haus der Freunde. 49 der 54 Nationen des Kontinents waren in Sankt Petersburg vertreten. Allerdings nahmen nur 17 von ihnen auf höchster Ebene teil. Der Westen war diesmal kein neugieriger und skeptischer Beobachter mehr, wie beim Gipfel in Sotschi vor vier Jahren, sondern unternahm dieses Mal entschlossene Anstrengungen, indem er die afrikanischen Staatsoberhäupter beriet, sie zu überreden versuchte oder gar bedrohte, nicht nach Russland zu fahren, um dort direkt mit Präsident Putin in den Dialog zu treten. Tatsächlich brachte dieser Druck dem Westen einige Punkte ein: Die Zahl der Top-Staatsoberhäupter in Sankt Petersburg war etwa halb so hoch wie in Sotschi. Doch das konnte letztlich das Ergebnis nicht untergraben. Der Verlust an Repräsentationsstatus wurde durch die Intensität der Interaktion ausgeglichen. Beeindruckend und bemerkenswert war die Zeit, die Wladimir Putin persönlich in die Veranstaltung investierte – die tatsächlich drei statt zwei Tage dauerte.
Die Notwendigkeit, den Vorwürfen des Westens entgegenzutreten, Russland sei nach dem Rückzug aus dem Getreideabkommen für den weltweiten Anstieg der Lebensmittelpreise verantwortlich, lies den Kreml klar über die übliche verbale Widerlegung hinaus gehen. Wobei der Westen bei seinen Vorwürfen bequemerweise die Tatsache ignoriert, dass zusammen mit dem Abkommen auch Versprechen gegenüber Moskau abgegeben – aber nie eingehalten – wurden.
Auf dem Gipfel versprach Putin nicht nur, kostenlos Getreide an fünf der ärmsten Länder Afrikas zu liefern, sondern kündigte auch Pläne zur Ausweitung der Handelsschifffahrt und zum Aufbau einer Logistik auf dem See- und Luftweg an, die Russland mit Afrika verbinden soll, sowie die Schaffung einer Drehscheibe für den russischen Handel mit Afrika, um den Anteil Russlands an den afrikanischen Lebensmittelimporten zu erhöhen. Was den Umgang mit westlicher Propaganda betrifft, rechnet Moskau mit einer deutlichen Ausweitung der russischen Medienpräsenz auf dem afrikanischen Kontinent. Die Idee dahinter ist, dass Russen und Afrikaner die Möglichkeit erhalten, direkt voneinander zu lernen und zu erfahren und nicht den Weg über nicht neutrale Vermittler in London, Paris oder New York gehen zu müssen.
Russland hat sicherlich einiges vor sich. Nachdem Moskau Anfang der 1990er Jahre das reiche Erbe der Sowjetunion in Afrika aufgegeben hatte, sieht es sich dort einer starken Konkurrenz gegenüber. Im Vergleich zu Chinas Handel mit Afrika, der sich auf rund 280 Milliarden US-Dollar beläuft, oder dem der USA, der bei rund 60 Milliarden US-Dollar liegt, dümpelt der Handel Russlands mit Afrika bei mickrigen 18 Milliarden US-Dollar vor sich hin. Allerdings kann Moskau hier vieles besser machen.
Der Gipfel in Sankt Petersburg konzentrierte sich auf eine Reihe von Bereichen: von Ernährungssicherheit über Gesundheitswesen und Pharma bis hin zu Kernenergie und Unterstützung auf dem Gebiet der Sicherheit. Von besonderer Bedeutung waren Fragen der Bildung und Informationstechnologie. Seit den frühen 1960er Jahren ist die Moskauer Universität der Völkerfreundschaft – 1961 nach Patrice Lumumba benannt, dem ermordeten ersten Ministerpräsidenten der Demokratischen Republik Kongo – ein Flaggschiff für die Ausbildung afrikanischer Fachkräfte in Russland. Nach dem Zerfall der Sowjetunion verlor diese Hochschule viel von ihrem Glanz. Doch das ändert sich jetzt: Die Zahl der Stipendien für Afrikaner für ein Studium in Russland wird verdreifacht und viele russische Universitäten werden ermutigt, Kooperationspartner in Afrika zu suchen.
Russland hat in letzter Zeit enorme Fortschritte bei der Bereitstellung des Internets auf seinem eigenen riesigen Territorium gemacht und damit beispielsweise Moskau, was den öffentlichen Zugang zu WLAN angeht, zu einer der fortschrittlichsten Metropolregionen der Welt gemacht. Diese Erfahrung ist sicherlich etwas, das man mit Freunden teilen kann.
Russlands wiederbelebtes Interesse an Afrika ist eher strategischer als taktischer Natur. Es geht weit über die wichtigen, aber banalen Fragen der wirtschaftlichen, sicherheitspolitischen und technologischen Zusammenarbeit hinaus. Es geht auch über den Krieg in der Ukraine hinaus – der zwangsläufig auch in Sankt Petersburg zur Sprache kam. Dies ermöglichte es Putin, seine Gründe für sein Vorgehen zu erläutern und seine Ansichten zu den Modalitäten eines Friedens darzulegen. Strategisch gesehen, betrachten russische Politiker Afrika – zusammen mit Asien und Lateinamerika – zunehmend als Teil der höher werdenden Welle, die dazu beitragen wird, die derzeitige westlich dominierte Weltordnung durch ein vielfältigeres Konstrukt zu ersetzen, das sich auf eine Reihe von Zivilisationen stützt.
Manche Russen behaupten, dass Russland in Afrika einen Kontinent voller Freunde hat. Dies trifft weitgehend zu, wenn es um die Stimmung in der afrikanischen Bevölkerung geht. Tatsächlich ist Russland – im Gegensatz zu westlichen Ländern – in der kolonialen und neokolonialen Ausbeutung des Kontinents makellos geblieben. Im 20. Jahrhundert leistete die Sowjetunion tatsächlich militärische Hilfe für eine Reihe nationaler Befreiungsbewegungen und unterstützte viele der neuen unabhängigen Staaten Afrikas durch Infrastrukturprojekte wirtschaftlich. Es wurden Tausende von afrikanischen Ärzten, Ingenieuren und Lehrern an sowjetischen Universitäten ausgebildet. Doch die politische Realität ist komplexer. Die USA und die ehemaligen Kolonialmächte Frankreich, Großbritannien und einige andere – nicht zu vergessen Deutschland – betrachten den Kontinent im Wesentlichen als ihre Markt- und Ressourcenbasis und werden versuchen, ihre wirtschaftliche Dominanz und ihren politischen Einfluss in Afrika zu verteidigen. Sie werden den Fortschritt Russlands in Afrika so schwierig wie möglich machen.
Angesichts dieser Opposition sollte Moskau nicht der Versuchung erliegen, mit externen Mächten um Einflussbereiche zu konkurrieren. Russland muss sich von seinem nationalen Interesse leiten lassen, das in der Ausweitung der umfassenden Zusammenarbeit mit afrikanischen Partnern liegt, sowie vom Streben nach einer neuen, gerechteren, nicht-westlich dominierten Weltordnung. Der zweite Russland-Afrika-Gipfel war trotz aller Komplexität und Komplikation auf dem Weg nach Sankt Petersburg ein Erfolg. Wichtiger ist jedoch der Paradigmenwechsel im russischen Denken und Handeln in Richtung Afrika, bei dem ehemals "exotische" Staaten als wertvolle Partner auf Augenhöhe betrachtet werden.
Übersetzt aus dem Englischen.
Dmitri Trenin ist Professor an der Higher School of Economics und Senior im Kollegium für Forschung am Institut für globale Ökonomie und internationale Beziehungen. Er ist zudem Mitglied des russischen Rates für internationale Beziehungen.
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