Meinung

Kaputtgespart: Wie Karl Lauterbach das Gesundheitssystem ruiniert

Karl Lauterbach war an vielen Gesundheitsreformen beteiligt. Alle sollten das System besser, effizienter und günstiger machen. Nach jeder wurde es teurer und schlechter. Jetzt verspricht er, mit der Krankenhausreform würde das System besser, effizienter und günstiger. Was ist zu erwarten?
Kaputtgespart: Wie Karl Lauterbach das Gesundheitssystem ruiniertQuelle: www.globallookpress.com © Kay Nietfeld

Von Gert Ewen Ungar

Im Jahr 1991 gab es in Deutschland noch 2.400 Kliniken, die Welt war zwar nicht perfekt, aber weitgehend in Ordnung. Dann kam Karl Lauterbach. Zunächst für viele Jahre als sogenannter "Gesundheitsexperte der SPD", schließlich als Gesundheitsminister. Inzwischen gibt es noch etwa 1.800 Kliniken. Der Minister droht mit einer weiteren Reform. Das verheißt nichts Gutes.

Während der Corona-Pandemie galt Lauterbach den Medien und vielen Deutschen als kompetenter Virologe, was allerdings nie den Tatsachen entsprach. Lauterbach ist studierter Gesundheitsökonom. Von Viren und ihrer Ausbreitung hat er nur bedingt Ahnung, seine Qualifikation liegt qua Ausbildung im Kaputtsparen von Einrichtungen des Gesundheitswesens. Dass er das gut kann, stellt er seit Jahren unter Beweis.

Bereits zu Beginn des neuen Jahrhunderts trommelte Lauterbach für eine Gesundheitsreform im Rahmen der Agenda 2010. Er gehörte einer Expertengruppe an, von der sich die damalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) beraten ließ. Das alte System war zu träge und vor allem zu teuer, behauptete nicht nur er. Der Versicherungsbeitrag lag im Durchschnitt bei 14,4 Prozent des Gesamtlohns und damit nach Expertenauffassung viel zu hoch. Der Beitragssatz sollte mittels Reform auf 13 Prozent gedrückt werden. Das Schlagwort war "Lohnnebenkosten", und die sollten gesenkt werden. Hinter dem wohlklingenden Begriff verbarg sich schlicht die Absicht der Bundesregierung, die Löhne der Beschäftigten in Deutschland zu drücken. Das hat sie dann auch getan. 

Im Gesundheitsbereich sollte mit Privatisierungen, Eigenbeteiligungen, Effizienzdruck und einem verschlankten Abrechnungssystem dem trägen und verkrusteten deutschen Gesundheitssystem wirtschaftlich Beine gemacht werden. Durch eine Umstellung auf Fallpauschalen und Privatisierungen würde alles besser, schneller, effizienter und zudem noch billiger, wurde den Deutschen damals versprochen. Unter anderem ganz lautstark vom SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach.

Die vollmundigen Versprechen lösten sich jedoch in Luft auf, wie jeder auf seinem Gehaltszettel sehen kann. Auf durchschnittlich 16,2 Prozent ist der Krankenkassenanteil an der Lohnsumme inzwischen angewachsen. Das Einzige, was wirklich gut gelang, war, dass sich die Arbeitgeber aus der einstmals paritätischen Finanzierung sang- und klanglos verabschieden konnten. Inzwischen sind wir mehrere Gesundheitsreformen weiter, die Versorgungslage hat sich in Deutschland deutlich verschlechtert, die Kosten haben sich erhöht. Zeit also für eine neue Reform. 

Während all dieser Reformen ist die Zahl der Kliniken übrigens kontinuierlich zurückgegangen. Über den Krankenhäusern Deutschlands kreist schon lange der Pleitegeier. Auf der Seite kliniksterben.de kann man sich darüber informieren, was in Deutschland los ist. Es ist eine Chronologie der Tristesse und des Niedergangs.

Allerdings ist der Todestrieb unter den Kliniken ungleich stark ausgeprägt. Während nämlich die Zahl der öffentlichen und gemeinnützigen Kliniken rapide zurückgeht, ist die Anzahl der privaten Kliniken dagegen gestiegen. Daran wird deutlich: Karlchen reformiert nicht, er verteilt kräftig um, und zwar von unten nach oben, wie es sich für einen SPD-Mann gehört. 

Paradox ist nun, dass sich ausgerechnet der deutsche Gesundheitsminister angesichts der aktuellen Welle von Klinikpleiten in die Pose des Retters wirft. Eine neue Gesundheitsreform soll es richten, direkt auf das Problem Krankenhäuser zugeschnitten. Dabei ist schon jetzt abzusehen, dass auch die nächste Reform nicht mit dem Trend bricht und sich die Versorgung in Deutschland weiter verschlechtern wird, dafür aber die Kosten steigen ‒ so wie bei den vorausgegangenen Reformen eben auch.  

Lauterbach ist großer Fan von Studien, wie man spätestens seit Corona weiß. Für seine nächste große Reform, die Krankenhausreform, die im Jahr 2024 kommen soll, bezieht sich Lauterbach auf eine Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2019, der zufolge Deutschland mit 600 Krankenhäusern gut versorgt ist. Die Deutschen liegen laut Studie ohnehin viel zu lang und völlig unnötig im Krankenhaus rum. Das ist zu teuer. Der Apparat soll insgesamt schlanker und effizienter, dabei aber kostengünstiger und besser werden. Das hat man irgendwo schon mal gehört ‒ und es hat noch nirgendwo funktioniert.

Das Lieblingsargument deutscher Ökonomen, das in der Diskussion um das Renteneintrittsalter immer herhalten muss, bleibt bei den geplanten Streichungsorgien des Gesundheitsministers ungenannt: der demographische Wandel. Dass eine alternde Gesellschaft eher mehr als weniger Klinikkapazitäten braucht, wird aus der Diskussion schön herausgehalten. Die Tatsache würde die aalglatte Argumentation für den Rückbau staatlicher Kapazitäten und Infrastruktur zugunsten privater Anbieter unnötig stören. 

Es ist vorherzusehen, dass sich auch dieses Mal die gemachten Versprechen nicht erfüllen werden. Die Versorgungsleistung wird gekürzt, und wer mehr Leistung will oder braucht, muss dafür bezahlen. An der schleichenden Privatisierung der Gesundheitsfürsorge wird weitergearbeitet. Alles, was das System nicht mehr leistet, kann man sich dazukaufen: einen Tag länger im Krankenhaus bleiben, beispielsweise, weil zu Hause niemand ist, der sich kümmern kann.

Mit anderen Worten, es ist anzunehmen, dass Karlchen den Trend verstetigt und trotz aller Bekenntnisse, für Verbesserung sorgen zu wollen, das genaue Gegenteil tut. Das tut er seit Jahren und das ist seine eigentliche Aufgabe und Profession. Karl Lauterbach ist Gesundheitsökonom. Er weiß, wie man Kliniken schließt und wie man nach oben umverteilt ‒ es ist sein Beruf. Den kann er, ansonsten kann er nichts.   

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