266 Hektar für Gefallene: Ukraine will den größten Soldatenfriedhof Europas errichten
Von Wladislaw Sankin
Das ukrainische Ministerkabinett hat einen neuen Standort für den Nationalen Kriegsgedenkfriedhof festgelegt, berichtet das ukrainische Portal für Bauwesen. Es ist geplant, 266 Hektar in der Gemeinde Gatne südwestlich von Kiew zur Verfügung zu stellen. Die Errichtung eines großen zentralen Soldatenfriedhofs wird schon lange diskutiert. Dies ist der siebte Vorschlag, der für den Standort in Betracht gezogen wurde. Nun wird als "Pilotprojekt" ein vereinfachtes Verfahren beschlossen. Als Termin für die Umsetzung wird der 30. Juli 2025 genannt.
Im Jahr 2021 ordnete das Ministerkabinett den Bau eines Soldatenfriedhofs bis 2025 an. Im vergangenen Jahr stimmte die Werchowna Rada für das entsprechende Gesetz. Der Plan sah vor, den Arlington Memorial Cemetery in den USA zu imitieren. Der Arlington-Friedhof unweit des Washingtoner Regierungsviertels ist weltbekannt und gilt als sechstgrößter Friedhof der Welt.
Sollte das Projekt umgesetzt werden, würde er damit den Arlington-Friedhof mit seinen 252 Hektar und über 260.000 Gräbern vom Platz sechs stoßen. In Europa wäre dann nur der weltweit größte Park-Friedhof Ohlsdorf in Hamburg größer als der nun geplante ukrainische Gedenkkomplex. Ohlsdorf ist jedoch kein expliziter Soldaten- oder Ehrenfriedhof. Mit seinen 266 Hektar Fläche könnte also der Kriegsgedenkfriedhof in Gatne der größte seiner Art in Europa und nach dem Calverton National Cemetery in den USA der zweitgrößte der Welt werden. Laut einem Erlass der Regierung soll er einen Soldatenfriedhof, einen Museumskomplex, ein Ritualgebäude und andere notwendige Einrichtungen für die Organisation von Ehrenbegräbnissen umfassen.
Wie viele Soldaten auf dem Soldatenfriedhof nahe Kiew ihre letzte Ruhe finden können, ist noch unklar. Die Schätzungen gehen jedenfalls von Hunderten möglichen Gräbern aus. Laut russischen Angaben vom 4. August haben die ukrainischen Streitkräfte seit Intensivierung der Kämpfe Anfang Juni im Zuge der sog. Gegenoffensive 43.000 Soldaten verloren.
Überprüfen lässt sich diese Zahl derzeit zwar nicht, aber die hohe Anzahl der schwer verletzten Soldaten, die seit Beginn der russischen Militäroperation ein oder mehrere Gliedmaßen verloren haben, spricht dafür, dass die russischen Angaben nicht fern der Realität liegen können. US-Medien berichten von 20.000 bis 50.000 solcher Verletzen. Damit rückt diese Zahl in die Nähe der Statistiken aus dem Ersten Weltkrieg mit seinen Millionen toten Soldaten.
Durch Vergleiche mit US-Kriegen der letzten Jahrzehnte hat das Portal Grey Zone einen Koeffizienten errechnet, der die Gesamtzahl der seit Beginn der Invasion getöteten und verletzten ukrainischen Soldaten zwischen 714.500 und 1,8 Millionen ergibt. Auch wenn diese Zahl noch als weit übertrieben erscheinen mag, gilt es jedoch zu bedenken, dass Ende Juni 78 Prozent der Ukrainer in einer Umfrage angaben, dass unter ihren Freunden oder Verwandten bereits jemand verletzt oder getötet wurde. Im Durchschnitt kennen sie drei solche Fälle. Die ukrainische Gesellschaft wird zunehmend direkt mit Erfahrungen von Tod und Verlust konfrontiert.
Ein weiteres Indiz für extrem hohe Verluste der ukrainischen Streitkräfte ist die Gräber-Knappheit auf städtischen Friedhöfen, über die auch westliche Medien bereits mehrfach berichteten. In Lwow müssten laut New York Times sogar die alten Gräber wieder ausgehoben werden, um Platz für getötete Soldaten zu schaffen.
Obwohl der Erstbeschluss über die Errichtung des nationalen Friedhofs nach US-Vorbild noch auf die Zeit vor Beginn der russischen Militäroperation zurückgeht, ist die Fläche des gefundenen Grundstücks, gepaart mit der geplanten Schnelligkeit seiner Fertigstellung ein makabres Signal. Denn er deutet darauf hin, dass die ukrainische Militärführung auch nach so verlustreichen eineinhalb Jahren Krieg weiterhin entschlossen ist, immense menschliche Verluste im Kampf gegen Russland in Kauf zu nehmen.
Wenn man bedenkt, welche Berater die Ukrainer an ihrer Seite haben, ist dies kaum verwunderlich. Zuletzt rief der bekannte Historiker, Militärtheoretiker und nebenbei auch langjähriger Berater der israelischen und NATO-Streitkräfte, Edward Luttwak bei der Welt die Ukraine zur Aufstellung einer Massenarmee in Truppenstärke von drei Millionen auf:
"Es gibt also nur einen Weg nach vorn: den Krieg ernsthaft so zu führen, wie es sich für einen nationalen Befreiungskampf gehört. Die Bevölkerung der Ukraine ist zwar zurückgegangen, liegt aber immer noch bei über 30 Millionen, sodass die Gesamtzahl der Streitkräfte bis zu drei Millionen betragen könnte."
Welche Befreiungskämpfe der US-Experte gemeint hat, ist allerdings nicht ganz klar. Der Befreiungskampf des sowjetischen Volkes gegen Nazi-Deutschland kann es nicht sein, denn sowohl die Ukraine als auch der Westen stellen sich klar in die Position derjenigen Kräfte im Zweiten Weltkrieg, die eben gegen die Sowjetunion gekämpft haben. Sein Aufruf ruft viel eher die berühmt-berüchtigte Goebbels-Rede im Berliner Sportpalast in Erinnerung, als der NS-Propagandaminister am 18. Februar 1943, nach der Niederlage in Stalingrad, der jubelnden Menge zurief: "Wollt ihr den totalen Krieg?"
In seiner 108-minütigen Rede beschwor Goebbels die Stärke und Einheit der deutschen Nation angesichts des auf Europa hereinbrechenden "Ansturms der Steppe", angeführt vom nach der Weltmacht greifenden Judo-Bolschewismus, der nur "Tod, Hunger und Zerstörung" mit sich bringt.
Nun stimmt auch der ukrainische Verteidigungsminister Alexander Resnikow in einer Rede die Ukrainer auf einen sehr langwierigen Krieg mit dem "starken und heimtückischen Feind ein, der Frauen und Kinder in Städten und Dörfern sehr weit von der Front tötet". Das sagte er am Dienstag auf einem Forum der Kriegsveteranen, sein Auftritt wurde in ukrainischen Medien live übertragen.
In seiner Rede verspricht er nicht weniger als die künftige Beteiligung von jedem Ukrainer am Krieg:
"Und es wird jeden betreffen. Denn nach einiger Zeit wird jeder von uns Veteranen unter seinen Verwandten oder engen Freunden haben. (…) Die Hauptaufgabe besteht darin, dass jeder Ukrainer, der einen Veteranen sieht, zwei Dinge erkennt und fühlt. Erstens: "Dieser Krieger hat bereits durchgemacht, was ich morgen durchmachen werde. Morgen werde ich in seinen Schuhen stecken." Zweitens: "Er/sie hat mir Zeit verschafft. Ich bin hier, trinke Kaffee und kümmere mich um meine eigenen Angelegenheiten, weil dieser Mann oder diese Frau mir Zeit verschafft hat".
"Morgen werde ich in seinen Schuhen stecken …". Stimmt nun auch Kiew seine Bürger langsam auf einen "totalen" Krieg ein? Fest steht nun, dass die Ukraine in der nahen Zukunft tatsächlich eine neue massive Mobilisierungswelle starten wird, was auch Selenskij am Mittwoch in einer Pressekonferenz bestätigt hat. "Ich will ehrlich sein: Das Militär bat mich um Möglichkeit noch mehr zu mobilisieren", sagte er.
Auch wenn sich die neuerlichen Bandera-Jünger in der ukrainischen Führung um historische Kontinuität zu den ukrainischen Paramilitärs und Hitler-Bewunderern des Zweiten Weltkriegs bemühen, ist der Vergleich mit der Situation im Dritten Reich nach Stalingrad nicht ganz gerechtfertigt. Zumindest, was Charisma der Redner und Propaganda-Wirkung angeht. Aufschluss gibt die Mimik, mit der die Zuhörer von Resnikow, allesamt hart gesottene ukrainische Militärangehörige, seine Ausführungen vernehmen. Ihre Gesichter wirken in sich gekehrt und bedrückt. Denn der Mega-Friedhof in blühender ukrainischer Natur im Süd-Westen von Kiew wird auch für sie gebaut.
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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.