Verwenden Hamas-Kämpfer amerikanische Waffen, die für die Ukraine bestimmt waren?
Von Scott Ritter
In der jüngeren Geschichte war die Waffe der Wahl für Terroristen (oder Freiheitskämpfer, je nach Sichtweise) ein AK-47-Sturmgewehr. Nach dem sogenannten "Globalen Krieg gegen den Terror", in der Folge des 11. September 2001, ist es heute indes nicht ungewöhnlich, solche Kämpfer mit einer Glock 9 mm Pistole oder einem Colt M4 Karabiner zu sehen.
Es handelt sich dabei um Waffen, die vom amerikanischen Steuerzahler bezahlt und angeblich den Kräften zur Verfügung gestellt werden, die sich dem Ziel verschrieben haben, Terroristen und/oder Freiheitskämpfer (je nach den politischen Überzeugungen des Beobachters) zu bekämpfen. Stattdessen landen diese Waffen aber in den Händen der Letzteren. Das ist natürlich nicht im Sinne Washingtons, und doch rüsten diese Waffen am Ende genau die Kräfte aus, die die USA und ihre Verbündeten zu besiegen versuchen.
Das jüngste Beispiel für dieses Phänomen scheint die Hamas und die Angriffe von mit dieser Organisation verbundenen Kämpfern auf militärische und zivile Ziele im Süden Israels zu sein. Ein Video, dessen Echtheit noch überprüft werden muss, zeigt angeblich einen Hamas-Kämpfer, der sich bei der Ukraine für die Bereitstellung von Kleinwaffen, Munition und Handgranaten bedankt. Weitere Videos, die während der eigentlichen Angriffe aufgenommen wurden, zeigen die Hamas-Kämpfer mit einer Vielzahl von Waffen aus US-Produktion.
Diese Videos haben einige US-Gesetzgeber alarmiert, wie z. B. die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene, eine Republikanerin aus dem 14. Bezirk von Georgia, die unmittelbar nach dem Hamas-Angriff twitterte:
"Wir müssen mit Israel zusammenarbeiten, um die Seriennummern von US-Waffen zu ermitteln, die von der Hamas gegen Israel eingesetzt wurden. Kommen sie aus Afghanistan?
Kommen sie aus der Ukraine? Höchstwahrscheinlich ist die Antwort beides."
Jeder Versuch, die Fragen von Marjorie Taylor Greene zu beantworten, führt höchstwahrscheinlich zu Informationen, die der US-Regierung sehr unangenehm sein sollten. Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu hatte im Juni dieses Jahres erklärt, dass in den USA hergestellte Panzerabwehrwaffen, die für die Ukraine bestimmt waren, an der israelischen Grenze auftauchen würden.
Wie es dazu kam, ließ Netanjahu unerwähnt. Aber in der Ukraine grassiert die Korruption, und der mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Journalist Seymour Hersh hat darüber berichtet, dass hunderte Millionen Dollar an Hilfsgeldern in die Hände von Parteien umgeleitet wurden, für die sie ursprünglich nicht bestimmt waren.
Nach meinen Berechnungen, die ich auf der Grundlage von Gesprächen mit zahlreichen informierten Quellen angestellt habe, könnte der abgezweigte Betrag bis zu sechs von je zehn Dollar der an die Ukraine gesandten Hilfe betragen. Es ist eine Sache, wenn es sich um Geld handelt; eine ganz andere Sache ist es freilich, wenn es sich um Waffen handelt.
Die breite Verfügbarkeit von in den USA hergestellten Waffen auf dem weltweiten Schwarzmarkt, mit denen sich Terroristen/Freiheitskämpfer bewaffnen, spiegelt den laxen Ansatz der USA wider, militärische Unterstützung für Konfliktparteien zu leisten. Die USA scheinen mehr daran interessiert zu sein, die mit solchen Lieferungen verbundenen politischen Botschaften zu verstärken – die USA unterstützen aktiv Freunde in Not. Doch die tatsächlichen sicherheitsrelevanten Aspekte dieser Bemühungen scheinen den meisten hochrangigen US-Politikern entgangen zu sein.
Dies wurde im Mai 2022 deutlich, als Rand Paul, ein republikanischer Senator aus Kentucky, versuchte, einen Generalinspektor einzusetzen, der die von Präsident Joe Biden beantragte Militärhilfe für die Ukraine in Höhe von etwa 40 Milliarden Dollar überwachen und darüber Rechenschaft ablegen sollte. Der Antrag von Senator Paul wurde mit überwältigender Mehrheit von einem Kongress abgelehnt, der in der Frage der Ukraine und der Korruption anscheinend gerne die Haltung einnimmt: Nichts Böses hören, nichts Böses sehen, nichts Böses sagen.
Es ist indes nicht neu, dass US-Waffen in die Hände von Personen fallen, für die sie nicht bestimmt sind, sondern – was noch kritischer ist – in die Hände von Menschen, die mit diesen Waffen bekämpft werden sollten und die sie dann gegen amerikanische Verbündete einsetzen. Bereits 2007 begann die türkische Polizei, bei getöteten Kämpfern der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in der Türkei Waffen zu finden, deren Seriennummern mit Waffenlieferungen der USA an die irakischen Streitkräfte in Verbindung standen. Die PKK wird vom US-Außenministerium als terroristische Organisation eingestuft, während die Türkei Mitglied der NATO ist.
US-Waffen, die Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten zur Bekämpfung der jemenitischen Huthi-Rebellen zur Verfügung gestellt wurden, wurden von den Huthi auf dem Schlachtfeld beschlagnahmt und gegen ihre ursprünglichen Besitzer eingesetzt. Außerdem gelangten einige dieser Waffen in die Hände von Hisbollah-Kämpfern im Libanon.
Von den USA an die ehemalige afghanische Armee gelieferte Waffen tauchten wiederum in Kaschmir auf, wo sie inmitten der Leichen von pro-pakistanischen islamistischen Terroristen/Freiheitskämpfern geborgen wurden. Diese hatten, bevor sie in Kaschmir getötet wurden, an der Seite der afghanischen Taliban gegen die USA und ihre afghanischen Verbündeten gekämpft. Weitere US-Waffen aus der Ukraine tauchten in Afrika, in der Region des Tschadsees, in den Händen der Aufständischen von Boko Haram auf, die gegen von den USA bewaffnete Soldaten aus dem Tschad, Niger und Nigeria kämpfen.
Die Realität ist, dass die USA zu einer der wichtigsten Waffenquellen für Terroristen/Freiheitskämpfer in der ganzen Welt geworden sind. Marjorie Taylor Greene hat zwar recht, wenn sie Antworten auf die Frage nach der Sicherheit Israels, eines langjährigen amerikanischen Verbündeten, fordert. Aber die gleichen Fragen können auch zu praktisch jedem Sicherheitsunterstützungsprogramm gestellt werden, das die USA in der Zeit nach dem 11. September 2001 aufgestellt haben.
Es scheint, dass Amerikas Ansatz zur Bekämpfung des globalen Krieges gegen den Terror dazu geführt hat, dass diejenigen, die es als Terroristen bezeichnet, besser in der Lage sind, jene Gewalttaten auszuführen, die die US-Politik vorgibt, verhindern zu wollen.
Die traurige Wahrheit ist: In seinem Eifer, die Welt zu bewaffnen, wird Amerika in vielerlei Hinsicht zum größten Feind seiner Freunde.
Übersetzt aus dem Englischen.
Scott Ritter ist ein ehemaliger Geheimdienstoffizier des US Marine Corps und Autor von "Disarmament in the Time of Perestroika: Arms Control and the End of the Soviet Union". Er diente in der Sowjetunion als Inspektor für die Umsetzung des INF-Vertrags, im Stab von General Schwarzkopf während des Golfkriegs und von 1991-1998 als UN-Waffeninspektor.
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