Meinung

Robert Habeck zu Israel oder: Der Meister des Tunnelblicks

Nach Geschichtsterminator Olaf Scholz und Tränenmamsell Annalena Baerbock muss nun auch noch Robert Habeck einen öffentlichen Schwur leisten, nie und nimmer Kritik an der israelischen Regierung zu üben (erst recht nicht, versteht sich, an der US-Regierung). Wenigstens sind wir bald durch damit.
Robert Habeck zu Israel oder: Der Meister des Tunnelblicks

Von Dagmar Henn

Einer nach dem anderen scheinen sich die Minister der Ampelkoalition verpflichtet zu fühlen, noch ein eigenes Bekenntnis zu Israel abzulegen. Nun hat auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck eine getragene Rede abgeliefert, und sein PR-Termin hat das Video mit dem (rechtlich nicht existenten) Titel "Vizekanzler" geschmückt, damit es auch ja wichtig genug genommen wird.

Es hat schon einen besonderen Geschmack, wenn Habeck seine pastorale Rede ausgerechnet mit Babi Jar als Beispiel des absoluten Schreckens bestückt. Habeck, der ebenso getragen immer die "Solidarität mit der Ukraine" beschwört, erzählt ausgerechnet, wie er das Denkmal in Babi Jar besucht hat. Vermutlich war sein Fahrzeug so gut abgedunkelt, dass er unterwegs die Straßennamen nicht sehen konnte; die Straße, die aus der Innenstadt von Kiew zu dieser Gedenkstätte führt, wurde nämlich vor einigen Jahren geschmackvollerweise nach Stepan Bandera benannt. Das ist ein klein bisschen so, als würde man eine Straße nach Auschwitz Heinrich-Himmler-Allee nennen; schließlich waren Bandera-Ukrainer die Gehilfen bei den Morden von Babi Jar.

Aber Wahrnehmung und Emotion sind bei Habeck (und nicht nur bei ihm) etwas, das an- und abgeschaltet werden kann, wie es gerade seine Herren gebieten. Er ist ein vollendetes Produkt jener Indoktrination, die die Gräuel der Nazizeit auf Antisemitismus und Holocaust reduziert. Ein politisch äußerst nützlicher Schritt, denn gerade die zutiefst antikommunistischen Grünen hätten ein ernstes Problem damit, wenn das Wissen verbreiteter wäre, dass die ersten Opfer der Nazis – Kommunisten waren.

Da beginnt dann die lange Liste all jener, die vergessen werden. Wie war das mit Griechen und Serben? Wie mit der französischen Résistance? Mit den Kämpfern der Internationalen Brigaden, die aus französischen Lagern an der spanischen Grenze in die deutschen KZs wanderten? Wie mit all den anderen Sowjetbürgern, die zufällig nicht jüdischer Abstammung, aber hinterher genauso ermordet waren?

Da sind die deutschen Erfüllungsgehilfen sogar schlimmer als die Regierung der Vereinigten Staaten, die wenigstens so tut, als legte sie Wert darauf, dass beide Seiten die Genfer Konventionen achten. Habeck tut nicht einmal so. Er sagt:

"Diese Taten, diese Orte, sie sind der Grund, warum jetzt nicht die Zeit ist für Relativierungen, für Aufrechnungen, für Sätze wie 'Aber Israel hat doch ...' Nein. Jetzt ist die Zeit für das klare und unverrückbare Bekenntnis. Israels Sicherheit ist deutsche Staatsräson."

Nun, ginge es wirklich um Israels Sicherheit und nicht darum, brav im Kielwasser der Vereinigten Staaten zu bleiben, dann müsste selbst Habeck genau das tun, was das US-Außenministerium seinen Beschäftigten untersagt hat: eine Einhaltung der Genfer Konvention und eine Waffenruhe zu fordern. Von beiden Seiten.

Woran und an wen erinnert es denn, wenn man ein Gebiet mit zwei Millionen Einwohnern auf einer Fläche, die etwas größer ist als die Münchens, nicht nur von Nahrung, Strom und Medikamenten abschneidet, sondern sogar von der Wasserversorgung, sie dann von oben mit Bomben bedeckt und davon spricht, es handele sich um "Tiere"? Fällt Ihnen da irgendetwas ein, Herr Habeck? Und da geht es nicht um Handlungen irgendwann in der Vergangenheit, um kein "hat doch", sondern um etwas, das jetzt gerade stattfindet, das jetzt gerade verhinderbar wäre ...

Es ist so schön aufgeräumt und einfach, wenn man einfach so tut, als müsse man sich mit keinerlei Unmenschlichkeit mehr befassen, solange man nur immer alles unterstützt, was die jeweilige israelische Regierung tut. Wenn man sich schlicht an den Waschzettel hält, auf dem die jeweils Guten und die jeweils Bösen aufgelistet sind. Aber es gibt keinen Waschzettel, der bei einem ernst gemeinten "Nie wieder" hilft. Im Gegenteil. Wie Habeck als lebendes Beispiel vorführt, macht genau das blind für die Unmenschlichkeit, weil der Waschzettel schon die Teilung in beachtenswerte und nicht beachtenswerte Menschen vollzieht. Wie die Geschichte lehrt, wenn man ihr zuhört, sind diese Positionen austauschbar.

Wenn die Rote Armee mit den Deutschen so umgegangen wäre, wie Habeck es Israel den Palästinensern gegenüber zugesteht, hätte sie Deutschland in eine menschenleere Wüste verwandelt. Dass das nicht geschehen ist, ist auch eine Verpflichtung. Die man völlig zurückweist, wenn man eine Fahrt auf der Stepan-Bandera-Straße nach Babi Jar als Rechtfertigung vorträgt, warum der Tod palästinensischer Kinder deutsche Staatsräson sein sollte.

Aber vielleicht hat das alles mit der Person Robert Habeck gar nichts zu tun und gehört nur zur Rolle "Vizekanzler und Wirtschaftsminister". Denn man weiß ja bereits, wie er ist, wenn die Kamera aus ist:

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