Meinung

Bidens gefährliche Entscheidung, Kriegsschiffe vor die Küste von Gaza zu schicken

Die Versuchung, einen Angriff unter falscher Flagge auf die Schiffe der US-Marine zu inszenieren, könnte für den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zu groß werden, sollte er zu dem Schluss kommen, dass der Konflikt im Gaza nicht nach seinen Wünschen verläuft.
Bidens gefährliche Entscheidung, Kriegsschiffe vor die Küste von Gaza zu schicken© United States Navy photo by Mass Communication Specialist 2nd Class Miguel Angel Contreras, Public domain, via Wikimedia Commons

Von Martin Jay

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu setzt alles, was er hat, auf eine einzige Karte. Auf jene, dass die USA mit ihrer hirnverbrannten Idee, einen regionalen Krieg zwischen Israel und Irans Verbündeten in der Region, bis zum Äußersten gehen werden. Für Netanjahu war dies von Anfang an Teil seines Plans. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen jedoch eine Reihe von Hürden überwunden werden. Zunächst einmal muss Netanjahu die Regierung von Joe Biden davon überzeugen, sich den Israelischen Verteidigungskräften (IDF) in ihrem Krieg im Gazastreifen anzuschließen. Aber das wird nicht einfach sein.

Idealerweise würde er gerne sehen, dass Washington direkt in den Konflikt mit der Hamas eingreift, weil er hofft, diesen Krieg anschließend auf Libanon und Iran ausweiten zu können. Dies ist die Einschätzung von Michael Maloof, ein ehemaliger leitender Analyst für Sicherheitspolitik im US-Verteidigungsministerium, die er in einem kürzlich abgehaltenen Gespräch mit RT abgegeben hat. Maloof hat mit seiner Einschätzung sicherlich recht.

Deswegen ist der Entscheid von Joe Biden, eine Armada von Kriegsschiffen vor die östliche Mittelmeerküste zu beordern, in vielerlei Hinsicht ein gefährlicher Entscheid. Es ist leicht zu erkennen, dass Biden damit seine Unterstützung für Israel zeigen und auch gegenüber der Hisbollah eine physische Präsenz in der Region demonstrieren möchte. Damit möchte er den Generalsekretär der Hisbollah, Hassan Nasrallah, dazu zu bringen, zweimal darüber nachzudenken, ob er den Einsatz der IDF in Gaza dafür nutzen soll, einen Überraschungsangriff in Richtung Israel zu lancieren.

Das Problem bei Bidens Denkweise besteht darin, dass sich die Hisbollah durch eine solche maritime Machtdemonstration nicht leicht beeindrucken lässt und höchstwahrscheinlich gezwungen sein wird, in größeren und mutigeren Dimensionen über die Durchführung eines solchen Angriffs nachzudenken. Sie muss berücksichtigen, dass die US-Schiffe bereit sind, umgehend Südlibanon anzugreifen – was sie nicht tun müssten, wenn die US-Flotte nicht vor der Küste segeln würde. Das war definitiv ein Eigentor von Biden. Aber wenn Netanjahu sieht, dass der Konflikt im Gaza nicht nach seinen Wünschen verläuft, könnte für ihn die Versuchung zu groß werden, einen Angriff unter falscher Flagge auf die Schiffe der US-Marine zu inszenieren.

Die andere zu berücksichtigende Sorge ist, dass die USA selbst einen taktischen Fehler begehen. Die Möglichkeiten für Fehleinschätzungen in der aktuellen Situation sind enorm und die USA haben in dieser Region in der Vergangenheit einige solcher Fehleinschätzungen begangen. Eine solche Fehleinschätzung würde die gesamte Region in jenen Krieg mit dem Iran stürzen, von dem Netanjahu sein ganzes Leben lang geträumt hat. Und es würde für die USA in diesem Fall keinen einfachen "Ausstieg" daraus geben.

Am Montag, dem 9. Oktober, beorderten die USA den Flugzeugträger USS Gerald R. Ford und fünf Lenkwaffenzerstörer ins östliche Mittelmeer. Laut Maloof entsprach dieser Entscheid Washingtons den kühnsten Träumen von Netanjahu. "Er will, dass die USA in diesen Konflikt hereingezogen werden", sagte der ehemalige Pentagon-Beamte gegenüber RT. "Netanjahu will den Krieg mit dem Libanon eröffnen, indem er die Hisbollah angreift, um seinem ultimativen Ziel näherzukommen, die Atomanlagen des Iran zu bombardieren", fügte Maloof hinzu. "Damit das gelingt, muss es, wenn man so will, einen Golf-von-Tonkin-Moment geben."

Einige werden sich daran erinnern, dass der damalige US-Präsident Lyndon B. Johnson im Jahr 1964 mit einer netten kleinen Fake News den Vietnamkrieg lostrat, indem er Kriegsschiffe in den Golf von Tonkin vor der Küste Vietnams entsandte. Ein angeblicher nordvietnamesischer Angriff auf zwei US-Zerstörer wurde dann als Vorwand für eine direkte Beteiligung im Vietnamkonflikt genutzt. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die USA lediglich mit Militärberatern aufseiten der Südvietnamesen engagiert.

Damals musste die Regierung von Johnson lediglich verkünden, dass diese beiden Zerstörer der US-Navy von den Nordvietnamesen angegriffen worden waren. Das war alles, was es benötigte, um ein umfassendes Engagement in Vietnam zu rechtfertigen. Ein Krieg, den die USA – wie so viele ihrer Interventionen – nicht nur verloren haben, sondern der auch die US-Außenpolitik für die kommenden Jahrzehnte neu definierte.

Die USA haben außerdem zugesagt, Israel mit Waffen und Munition zu unterstützen. Das Pentagon besteht darauf, dass es über genügend Reserven verfüge, um dies zu tun und gleichzeitig weiterhin die Ukraine zu beliefern. Maloof steht dieser Behauptung jedoch skeptisch gegenüber.

Damit sind alle Zutaten im Kessel, damit er überkochen kann. Wenn Netanjahu davon überzeugt ist, dass der Angriff auf Gaza nach Plan verläuft – mit einer Strategie, die darauf basiert, zunächst den Gegner auszuhungern, bevor dann die zweite Garde der IDF-Infanterie reingeschickt wird, (und es ist ein offenes Geheimnis im Nahen Osten, dass die israelische Infanterie auf dem Schlachtfeld äußerst schwach ist) – dann könnte er beschließen, sich für seinen großen Plan nicht an die USA zu wenden. Aber wenn die Sache schwierig verläuft, könnte er durchaus direkte Gespräche mit Biden und seinem Stab suchen, um über das Maß an Unterstützung zu verhandeln, auf das er in einem größeren, umfassenderen Krieg hoffen kann.

Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass Biden ihn unterstützen wird, da das Letzte, was er im Hinblick auf eine Wiederwahl im November 2024 gebrauchen kann, ist ein Krieg im Nahen Osten und US-Soldaten, die in Leichensäcken nach Hause zurückkehren. Und so besteht die natürliche Entwicklung darin, dass die Leute um Netanjahu zu dem Schluss kommen werden, dass die einzige Möglichkeit, die USA mit hineinzuziehen, darin besteht, dass sie keine andere Wahl mehr haben. Der einzige wirkliche Weg, den USA keine andere Wahl mehr zu lassen, besteht darin, dass eines dieser Schiffe der US-Navy, von den Raketen der Hisbollah aus Südlibanon beschossen wird.

Die libanesische schiitische Gruppierung jedoch dazu zu bringen, dies zu tun, könnte für Netanjahu äußerst schwierig werden. Die Hisbollah versteht die hinterhältige List nur zu gut und ist sehr darauf bedacht, nicht in eine Provokation verwickelt zu werden. Und es besteht immer die Möglichkeit, dass die Hamas selbst eine Rakete auf eines dieser Schiffe abfeuert, was dann bequemerweise als Angriff aus Libanon umgedeutet wird. Dabei spielt es eigentlich keine Rolle, woher die Rakete kommt, die USA würden anschließend einfach alle forensischen und elektronischen Beweise fälschen und sie in Form von Lügen an die Medien verteilen, die noch so bereit sind, eine gute und reißerische Geschichte daraus zu basteln. Genauso wie Washington die Medien damit anlügt, dass man über genügend Munitionsreserven verfügt, um einen solchen Krieg im Nahen Osten zu versorgen, obwohl die ganze Welt und selbst ihr Hund wissen, dass die Lagerbestände des Westens zur Neige gehen.

Diese Analyse erschien zuerst in englischer Sprache auf Strategic Culture Foundation.

Martin Jay ist ein preisgekrönter britischer Journalist mit Wohnsitz in Marokko, wo er als Korrespondent für die britische Daily Mail (UK) arbeitet. Zuvor berichtete er von dort aus für CNN und Euronews über den Arabischen Frühling.

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