Klima-Urteil: Deutschland fällt der gesetzgeberische Populismus der letzten Dekaden auf die Füße
Von Gert Ewen Ungar
Wenn Populisten Gesetze machen, erhält man mit der Zeit einen Gesetzeskorpus, der ein Land unregierbar macht. Genau das ist in Deutschland in den letzten beiden Dekaden passiert. Das Ergebnis mangelnden Sachverstandes im Deutschen Bundestag wird nun eingefahren. Der wirtschaftspolitische Populismus in Verbindung mit einerseits Sparwahn, andererseits Klimahysterie wird Deutschland ruinieren, um die deutsche Außenministerin zu paraphrasieren. Das ist das Ergebnis, wenn die politisch Verantwortlichen abweichende Meinungen nicht zulassen, den Diskursraum begrenzen, nur auf das hören, was sie gerne hören wollen, und sich ansonsten kompromisslos geben.
Zwei Urteile verdeutlichen dies: das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Einhaltung der Schuldenbremse und das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg zur Umsetzung von Klima-Sofortprogrammen. Die Urteile widersprechen sich, weil sich die Gesetze widersprechen. Man kann nicht gleichzeitig sparen und eine Gesellschaft fundamental umbauen wollen.
Der Irrsinn fing bereits im Jahr 2008 an, als Griechenland durch Finanzspekulationen in Schieflage geriet. Dass das möglich war, dafür sorgte eine Fehlkonstruktion des Euro. Die Euroländer teilen zwar eine gemeinsame Währung, nehmen aber an den Finanzmärkten Anleihen zu unterschiedlichen Zinssätzen auf. Das ermöglicht Spekulationen gegen einzelne Länder. Der hohe Schuldenstand bei gleichzeitiger Versicherung vor allem Deutschlands, es werde keine Solidarität in Form eines Bailout geben, ließ die Zinsen für griechische Staatsanleihen in unerschwingliche Höhen schnellen. Es kam zur sogenannten Staatsschuldenkrise, die eigentlich eine Solidaritäts- und Währungskrise war.
Die Antwort auf diese Krise war nicht etwa eine Korrektur der Konstruktion des Euro, sondern die Ansage an die "Pleitegriechen", zu sparen, bis es kracht. Die schwäbische Hausfrau fand dank Angela Merkel (CDU) Eingang in die Makroökonomie. Der völlig irren Idee, Staaten lägen untereinander in einem wirtschaftlichen Konkurrenzverhältnis, blieb die deutsche Bundeskanzlerin übrigens bis zum Ende ihrer Regierungszeit verpflichtet.
Die schwäbische Hausfrau Merkels gebar schließlich die Schuldenbremse, ihr Vater war Wolfgang Schäuble – ebenfalls Schwabe. Es sollte künftig nur in Ausnahmefällen möglich sein, mehr auszugeben, als man einnehmen werde. Man fand den Gedanken so brilliant und genial, dass Deutschland alle Euroländer dazu zwingen wollte, die Schuldenbremse in die nationalen Gesetze zu schreiben. Der damalige Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion Volker Kauder verkündete 2011 mit stolzgeschwellter Brust: "Jetzt wird in der EU Deutsch gesprochen." Wenn Dummheit und Wahn sich paaren, ist ein Deutscher nicht weit.
Deutschland hat tatsächlich die EU weitgehend unter seine Knute gebracht, seitdem ist die EU allerdings auch von der globalen wirtschaftlichen Entwicklung abgetrennt. Wirtschaftliche Indikatoren wie Jugendarbeitslosigkeit und Investitionstätigkeit sind im Euroraum verheerend. Aus diesem Grund redet man in Deutschland nicht darüber.
Die EU fällt dank des deutschen Wirtschaftspopulismus zurück und hinkt der globalen wirtschaftlichen Entwicklung hinterher. Am Schuldenstand Griechenlands hat die vehemente Sparerei im Grundsatz übrigens nichts geändert. Das Wirtschaftswachstum von über acht Prozent im Jahr 2021 sorgte für eine Trendumkehr und dafür, dass die Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP inzwischen sinkt. Mit dem vom damaligen Finanzminister Schäuble durchgepeitschten Sparkurs hat das allerdings nichts zu tun.
Jeder, der damals vor der Schuldenbremse als Investitionsbremse gewarnt hat, wurde mit dem absolut dummen Argument "Generationengerechtigkeit" abgewatscht. Auch dieses Argument ist Populismus in Reinform. Mit den Schulden werden die Forderungen daran mitvererbt. Eine Volkswirtschaft vererbt bilanztechnisch immer genau null. Man kann das mit intakter Infrastruktur, mit einem funktionieren Gesundheits- und Bildungssystem tun oder eben ohne. Die Bundesrepublik hat sich für ohne entschieden und sich zudem noch zum Lehrmeister über Europa aufgeschwungen und den deutschen Wirtschaftsblödsinn anderen Nationen aufgezwungen.
Corona war dann der externe Schock, aufgrunddessen die Schuldenbremse ausgesetzt wurde. Eine erhöhte Schuldenaufnahme war erlaubt, allerdings nur, um damit die aus dem Corona-Wahnsinn entstandenen wirtschaftlichen Belastungen abzufedern. Geld zu verschieben geht nicht, stellte das Bundesverfassungsgericht vor Kurzem fest und strich der Ampelkoalition kurzerhand nahezu alle angekündigten Vorhaben.
Über die Sinnhaftigkeit der Schuldenbremse hat das Bundesverfassungsgericht nicht geurteilt. Es hat nur geurteilt, dass sie eingehalten werden muss, weil sie im Grundgesetz steht.
Dass Gesetze einzuhalten sind, hat jetzt ein weiteres Gericht in einer anderen Sache entschieden, die ebenfalls auf blinden Populismus zurückzuführen ist, dem Klima-Populismus. Wenn Deutschland knackig CO₂ einspart, kann damit das globale Klima beeinflusst werden, ist die steile These, an der man in Deutschland verbissen festhält. Auch hier fällt das Argument "Generationengerechtigkeit". Außerdem hat Deutschland Vorbildcharakter, glaubt man in Berlin. Die Länder der Welt werden in Deutschland den Leuchtturm erkennen, der das Land nun mal ist, und es den Deutschen nachmachen, weil die Länder der Welt sehen werden, wie erfolgreich deutsche Klimapolitik Klimaschutz mit Wachstum und Wohlstand verbindet. Auch das ist, mit Verlaub, blanker Populismus. Nichts spricht dafür, dass sich das umsetzen lässt. Man kann nicht gleichzeitig sparen und Geld ausgeben.
Hinzu kommt angesichts der Russland-Sanktionen das Problem eines zeitlichen Gaps. Durch den Ausstieg aus russischen Energieträgern braucht man jetzt sofort und nicht morgen oder übermorgen eine andere Energie-Infrastruktur. Die gibt es jedoch gar nicht. Sie ist erst im Aufbau und wird so schnell nicht kommen. Man kann daher aus russischer Energie nicht aussteigen, ohne massiven wirschaftlichen Schaden anzurichten. Es ist Pfusch, was diese Bundesregierung macht. Darin unterscheidet sie sich aber nicht grundlegend, sondern nur graduell von den vorausgegangenen.
Weil man das Klima retten möchte, hat man sich 2019 ein Klimaschutzgesetz gegeben und es dann 2022 noch einmal verschärft. Bis 2030 sollen die Emmissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 sinken. Ab 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Es sind nicht nur diese konkreten Ziele festgeschrieben, sondern auch Maßnahmen, die durchgeführt werden müssen, wenn die Ziele nicht erreicht werden. Nun erreicht Deutschland seine sogenannten Klimaschutzziele regelmäßig nicht, hat aber die im Gesetz vorgeschriebenen Sofortmaßnahmen nicht verhängt.
Das geht nicht, sagt jetzt das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Was im Gesetz steht, muss auch gemacht werden. Ob man mit den Maßnahmen das globale Klima beeinflussen kann, sagt das Gericht ebenso wenig, wie das Bundesverfassungsgericht Stellung dazu genommen hat, ob mit der Schuldenbremse Schulden reduziert werden können. Beides ist außerhalb der populistischen deutschen Politblase nämlich mehr als strittig.
Es ist auch nicht Aufgabe der Gerichte, über die Sinnhaftigkeit von Gesetzen zu urteilen. Sie urteilen nur darüber, ob sie eingehalten wurden. Ob Gesetze sinnvoll sind, hat sich bitte im Vorfeld der Gesetzgeber zu überlegen. Wie die beiden Beispiele zeigen, versagt der aber aber seit Dekaden grundlegend und gibt sich billigem Populismus hin. Das führt nun dazu, dass Gerichte die Bundesregierung dazu verurteilen, völlig Unvereinbares zu tun, Sofortprogramme für den Klimaschutz auflegen und gleichzeitig die Schuldenbremse einhalten. Den Gerichten ist daraus kein Vorwurf zu machen. Dafür trägt der Gesetzgeber die Verantwortung.
Schulden sind schlecht, Klima ist schön und der Russe böse. Aus dieser geistigen Schlichtheit bastelt man in Deutschland Gesetze. Das ist ein schlimmer Zustand. Für das Land und seine Bürger ist dieser politische Primitivismus eine absolute Katastrophe, denn er führt zu Niedergang. Dabei ist der deutsche Populismus breit aufgestellt, denn die Preisgabe des Sachverstands ist nicht für eine einzelne Partei kennzeichnend. Sie durchzieht das gesamte Parteienspektrum.
Faktisch verurteilen jetzt deutsche Gerichte die deutsche Gesellschaft dazu, die mangelnde gesetzgeberische Kompetenz der unterschiedlichen Bundesregierungen auszubaden. In Gesetze gegossene Idiotie muss eingehalten werden, denn sie ist Gesetz, lassen sich die Urteile des Bundesverfassungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts zusammenfassen.
Vielleicht führt das zu der Konsequenz, dass man politische Ämter künftig nicht nach der Fähigkeit zu Networking, nicht nach Geschlechterproporz und anderen Kriterien vergibt, sondern die fachliche Eignung wieder zum Thema macht. An diesem Kriterium würden allerdings nicht nur die Minister dieser, sondern auch die der Vorgängerregierungen scheitern.
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