Meinung

Keineswegs "russische Narrative" – ZDF rückt keinen Millimeter von ukrainischer Gräuelpropaganda ab

Proukrainische Propagandisten haben dem ZDF die Anerkennung der "russischen Besatzung" vorgeworfen. Prorussische Telegram-Kanäle erkannten in einer Live-Schalte mit dem Korrespondenten Armin Coerper hingegen einen Funken Wahrheit. Letztere haben sich jedoch zu früh gefreut.
Keineswegs "russische Narrative" – ZDF rückt keinen Millimeter von ukrainischer Gräuelpropaganda abQuelle: Sputnik © Alexander Suchow

Von Wladislaw Sankin 

Eine Live-Schalte des Russland-Korrespondenten beim ZDF, Armin Coerper, hat im Netz und in den Medien für Unverständnis und Wut gesorgt. Proukrainische Propagandisten warfen dem Sender "Naivität" und Anbiederung an die "russischen Besatzer" vor – RT DE berichtete. In der prorussischen Telegram-Sphäre brach dagegen ein kleiner Jubel über einen Funken Wahrheit aus, der die Mauer der antirussischen Propaganda bei den Öffentlich-Rechtlichen scheinbar durchdringen konnte.

Meine Meinung als Korrespondent, der zweimal Mariupol besucht hat und die Situation im russischen Donbass ein bisschen kennt, lautet: Einen solchen Funken Wahrheit gibt es beim ZDF nichtUm das zu erkennen, muss man die ganze 24-minütige Sendung mit dem Titel "Seltener Blick in russische Besatzung" samt ihrer Bildsprache, den Fragen der Moderatorin und den eingespielten Zuschauerkommentaren ansehen. 

Armin Coerper bleibt außergewöhnlich lang am gleichen Drehort. Er gibt an, schon seit fünf Tagen in Mariupol zu drehen. So viel Zeit ist ein Luxus für einen Korrespondenten. Ich habe im Jahr 2022 in Mariupol kein einziges Mal übernachtet und für Dreharbeiten musste man mit einem Transportwagen jedes Mal 120 Kilometer aus Donezk zurücklegen. Anscheinend haben in Mariupol wieder Hotels eröffnet – und das in großer Zahl, wie das neue russische Buchungssystem bestätigt.

Während der Dreharbeiten habe er viel gesehen und mit vielen Menschen gesprochen, sagt Coerper. Aber während der Live-Schalte bekommen die Zuschauer davon nichts zu sehen. Die Worte des Korrespondenten über den Wiederaufbau und die prorussischen Stimmungen werden mit zwei Jahre alten Bildern der Zerstörung in der linken Bildschirmhälfte begleitet. Die Absicht der Redaktion, die neue Realität zu vertuschen, ist offensichtlich. 

Diese Absicht bringt die Redaktion auch im Begleittext zu dem Beitrag zum Ausdruck. Darin heißt es, Mariupol sei ein "Sinnbild russischer Brutalität im Krieg gegen die Ukraine". Die Bilder der Zerstörung dürfen nicht den Bildern des friedlichen Aufbaus weichen. RT DE hat den Kämpfen in Mariupol viele Artikel und Videos gewidmet – mancher Leser erinnert sich gewiss noch gut an diese Berichterstattung. Die Zerstörungen in Mariupol sind vor allem zwei Faktoren zu verdanken: der ukrainischen Kampfführung beim Rückzugsgefecht und dem vorsätzlichen Beschuss seitens der ukrainischen Armee. Diese Erkenntnis deckt sich mit den Schilderungen meiner Gesprächspartner in Mariupol und ist inzwischen Allgemeinplatz in der russischen Berichterstattung. 

Die ukrainischen Soldaten trieben die verbliebenen Einwohner in die Keller und errichteten Feuerstellungen mitten im Wohngebiet – in Mietshäusern, Schulen, Kindergärten. Diese Feuerstellungen wurden natürlich zur Zielscheibe der heranstürmenden Armee. Das hat vor allem Zerstörungen in den Wohnvierteln verursacht. Viele der dabei getöteten Einwohner gehen dennoch auf das Konto der vermeintlichen ukrainischen "Verteidiger". Diese haben die Flucht der Zivilisten systematisch verhindert und auf den Straßen auf Menschen geschossen. Da mehrere Tausend eingekesselte Kämpfer gefangen genommen wurden, darunter die Nazis des Asow-Regiments, gelang es den russischen Ermittlern, viele dieser Mörder ausfindig zu machen und strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Aber natürlich starben auch Menschen durch russischen Beschuss – zum großen Bedauern der russischen Streitkräfte! Trotzdem haben offenkundig viele Einwohner die Russen als Befreier wahrgenommen. Mariupol mochte den ukrainischen Nationalismus nicht. 

Diese Wahrheit ist jedoch Gift für die deutsch-ukrainische Kriegspropaganda. Ja, es gibt keinen Unterschied zwischen der deutschen und der ukrainischen Gräuelpropaganda. Das hat auch diese Sendung trotz einiger vom Mainstream abweichender Aussagen des ZDF-Korrespondenten eindrücklich gezeigt. Das Jonglieren mit den Zahlen steht hier an erster Stelle. So fragte die Moderatorin Armin Coerper nach der Zahl der Opfer in Mariupol. Der Korrespondent liefert eine widersprüchliche Antwort mit drastisch übertriebenen Zahlen:

"Es gibt keine offiziellen Zahlen. Offizielle Zahlen sprechen von 20.000 bis 80.000 Todesopfern in dieser Stadt". 

Gibt es also offizielle Zahlen oder nicht? Ein vielsagender Versprecher, der während der Live-Sendung nicht weggeschnitten werden konnte. Der Korrespondent gibt nicht an, aus welcher Quelle diese "offiziellen Zahlen" stammen. Es könnte sich um Angaben des ehemaligen ukrainischen Oberbürgermeisters von Mariupol, Wadim Boitschenko, handeln, der am 23. März 2022 aus der Stadt floh. Seitdem hat er jedoch keinen Zugang mehr zu amtlich gesicherten Informationen, was ihn gleichwohl nicht davon abhält, sich gegenüber dem Westen als "offizieller" Repräsentant Mariupols darzustellen. Offenbar stützt sich der ZDF-Korrespondent auf diese Schätzung Boitschenkos, der im November 2022 verkündete, in Mariupol seien 22.000 Zivilisten gestorben. Zum Vergleich: Laut ukrainischer Polizei sind auf dem ukrainisch kontrollierten Territorium knapp 10.000 Zivilisten während des gesamten Ukraine-Krieges gestorben. Ähnliche Zahlen liefert auch die UNO. 

Woher Coerper die Zahl von 80.000 nimmt, ist unklar. Quellen nennt er nicht. Es ist anzunehmen, dass er bewusst zu möglichst hohen Zahlen greift, um den Erwartungen im Berliner ZDF-Studio gerecht zu werden. Die Moderatorin fragte zudem nach Massengräbern, die man auf Satellitenbildern erkennen könne. Diejenigen, die in Mariupol für die Bergungs- und Umbettungsarbeiten verantwortlich waren – der erste "russische" Bürgermeister Konstantin Iwaschtschenko und DVR-Chef Denis Puschilin –, nannten im Jahr 2022 die Zahl von 5.000 Todesopfern als vorläufige Schätzung. Mariupol gehört zur DVR. Am 2. Februar gab die Menschenrechtsbeauftragte der Donezker Volksrepublik, Daria Morosowa, die Zahl der zivilen Toten in den befreiten DVR-Gebieten seit Beginn des bewaffneten Konflikts im April 2014 mit 9.169 an. Ihr zufolge gehen diese ausschließlich auf das Konto der ukrainischen Armee. Abschließende Zahlen zu den Toten und Vermissten werden erst nach dem Ende der Kampfhandlungen im ganzen Kriegsgebiet bekannt gegeben. 

Coeper berichtet zudem von der Zahl der Rückkehrer in die Stadt. Von den 450.000 vor dem Krieg in Mariupol lebenden Menschen sei nur noch ein Drittel da. Das entspräche etwa 150.000 Einwohnern. Diese Zahl könnte aber im Gegensatz zu den Opferzahlen stark untertrieben sein, denn im Juli letzten Jahres sprach Denis Puschilin von 280.000 Bewohnern, die sich mittlerweile in der Stadt aufhalten – diese Angabe ist leicht recherchierbar. Inzwischen dürfte die Einwohnerzahl sogar noch höher liegen. Der ZDF-Korrespondent kann dies natürlich in Zweifel ziehen; als offizielle Zahl nennen sollte er sie aber – das gehört zum journalistischen Handwerk. 

Statt sich auf die verfügbaren Informationen zu verlassen, spekuliert der ZDF-Korrespondent über künftige Massenumsiedlungen. "Wie zu Sowjetzeiten werden hier ganze Landstriche mit russischen Menschen angesiedelt." Umsiedlungen, Deportationen … das klingt ein bisschen nach Stalin – die ukrainische Propaganda weiß hier genau, was sie tut. Im Begleittext liefert das ZDF die "Zahlen" zu den erwähnten Umsiedlungen nach: "Laut ukrainischen Armeeangaben plant Russland eine Umsiedlung von mehreren hunderttausenden Russen nach Mariupol."

Und tatsächlich, der Eindruck, Russland operiere ganz und gar im Geiste Stalins, wird von einer weiteren Korrespondentin in Odessa, Anne Brühl, verstärkt. Sie berichtet ausführlich von angeblichen Kinder-Deportationen aus den Kriegsgebieten nach Russland, von 19.000 "entführten" und nach Russland "verschleppten" Kindern, von denen allerdings bereits 500 auf "verschlungenen" Wegen zu ihren Verwandten in der Ukraine zurückgekehrt seien. Die Absurdität des Vorwurfs einer als Kriegsverbrechen ausgegebenen "Deportation" bleibt den ZDF-Propagandisten selbst jedoch verborgen, wenn sie zunächst von Internierungen und Zwangsmaßnahmen berichten, später jedoch von rechtlich geregelten Rückführungen. Der vorhersehbare Hinweis der ZDF-Korrespondentin, gegen Putin sei wegen des Verbrechens der Deportation von Kindern durch den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ein Haftbefehl erlassen worden, durfte am Ende des Berichts natürlich nicht fehlen. 

Eine gewisse nachdenkliche Zurückhaltung war dem ZDF-Korrespondenten Armin Coerper während der Live-Schalte aber anzumerken. Denn ihm war bewusst, dass das, was er über den friedlichen Aufbau in Mariupol sagt, in seinem Heimatland auf Kritik und Ablehnung stoßen würde. Angesichts der Kriegsvorbereitungen von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius müssen die Vorwürfe gegen Russland jetzt mehr denn je aufrechterhalten werden. Die Schauergeschichten über die "russische Besatzung" und die "Auslöschung des ganzen Volkes" der Ukrainer sollen auch weiterhin erzählt werden und das ZDF arbeitet daran, trotz des kleinen "Betriebsunfalls" in Gestalt dieses Berichts, weiterhin mit vollen Kräften. 

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