Meinung

Deutsche Förderungspolitik im Ausland: Eine Geschichte des Scheiterns

Der deutsche Steuerzahler finanziert dank der Bundesregierung weltweit "ökofeministische Entwicklungsalternativen". Der Sinn dieser Ausgaben ist fragwürdig und – wie das Beispiel der Förderungspolitik in Russland zeigt – auch ineffizient.
Deutsche Förderungspolitik im Ausland: Eine Geschichte des ScheiternsQuelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Thomas Trutschel

Von Sergei Simonow

Neulich sorgte Deutschlands Entwicklungshilfe für viele Schlagzeilen. Sogar in den Mainstream-Medien (wie zum Beispiel bei Markus Lanz im ZDF) wurde rege diskutiert, ob etwa 500.000 Euro für die "Förderung positiver Maskulinität in Ruanda" oder dieselbe Summe für "ökofeministische Entwicklungsalternativen in Südafrika" tatsächlich eine sinnvolle Ausgabe deutscher Steuergelder ist.

Vergleichbare Projekte werden vom Bund auf allen Kontinenten finanziert. Und zwar geht es oft nicht nur um Hunderttausende, sondern um viele Millionen Euro, die aus der deutschen Staatskasse in alle Himmelsrichtungen verteilt werden. Insgesamt zahlte Deutschland im Jahr 2022 rund 34 Milliarden (!) Euro für "Entwicklungsleistungen".

Auf den ersten und auch auf den zweiten Blick ergeben Transfers für Projekte wie die oben genannten keinen Sinn. Doch am Beispiel der in Russland bzw. für russische Staatsbürger bereitgestellten Fördermittel kann ein Einblick gewonnen werden, was das wirkliche Kalkül bei der Finanzierung abstrus klingender Initiativen rund um die Welt sein könnte. Denn auch in Russland waren deutsche Förderer bis 2022 aktiv (und sind es in veränderter Form immer noch, dazu aber etwas später). Zum Beispiel politische Stiftungen, die ja ihrerseits selbst durch Mittel von Bundesministerien und der Länder finanziert werden.

Die inhaltlichen Schwerpunkte der den Grünen nahestehenden Heinrich-Böll-Stiftung etwa lagen in Russland bei der Unterstützung von ökologischen, feministischen und LGBTQ-Projekten – womit wir wieder beim dubios anmutenden "Ökofeminismus" wären, dessen Popularisierung jetzt in Südafrika und anderen Ländern aus deutschen öffentlichen Haushalten bezahlt wird.

Eins der Projekte, das die Böll-Stiftung zuletzt in Russland (vor ihrem Rauswurf aus dem Land im Jahr 2022) gefördert hat, war die sogenannte "Feministische Datscha". Das erklärte Ziel des im Oktober 2020 initiierten Projektes war es, "Feministinnen und LGBTQ–AktivistInnen, die sich in einem Zustand des Burn-outs befinden" eine Residenz von einer Woche bis zu einem Monat anzubieten. Alle Kosten der vom Burn-out befallenen Aktivisten ("Mahlzeiten, Unterkunft, Gruppentherapie und psychotherapeutische Einzelsitzungen") wurden von Veranstaltern übernommen – offensichtlich dank der Gelder aus dem Hause der Böll-Stiftung.

Man kann sich natürlich fragen, warum Arbeitende in Deutschland für das seelische Wohlbefinden russischer, in Moskau lebender Feministinnen und LGBT-Aktivisten aufkommen sollen. Doch das ist nicht der interessanteste Punkt in diesem Kontext – zwar wurden hierfür deutsche Steuergelder verpulvert, aber zumindest kostet ein Residenzprogramm für ein paar Dutzend Leute in der Nähe von Moskau nicht die Welt.

Interessanter wird es, wenn man auf dieses von Deutschland geförderte Projekt und dessen Veranstalter von heute aus blickt. Was haben diese Aktivisten ab Februar 2022 gemacht? Dieselben Personen, die 2020 bis 2021 eine "feministische Datscha" für von Burn-out-Geplagte betreuten – gründeten gleich nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges den sogenannten "Feministischen Antikriegswiderstand" und wanderten kurze Zeit später aus Russland aus.

Im Ausland schlug ihre angebliche Antikriegsposition schnell ins Gegenteil um, nämlich in eine Kriegsbefürwortung, jedoch auf der Seite der Ukraine. In sozialen Netzwerken rief der "feministische Widerstand" russische Soldaten dazu auf, sich der ukrainischen Armee zu ergeben und eine der Sprecherinnen dieser Gruppe, Darja Serenko, schrieb, dass das Spenden an die ukrainische Armee jetzt "ethisch korrekt" sei. Somit durchlebten diese Aktivisten dieselbe Transformation wie ihre deutschen Förderer von den Grünen, die mittlerweile jede Spur von Pazifismus vermissen lassen. Für sie scheinen Friedensverhandlungen und eine Kompromisslösung mit Russland undenkbar, stattdessen ist nur noch von Waffenlieferungen und einer Unterstützung ukrainischer Militärs die Rede.

Darja Serenko ist in Deutschland inzwischen zu einem Mini-Star der proukrainischen und prowestlichen "Antikriegsbewegung" avanciert. Mainstream-Medien führen mit ihr Interviews; ein Buch von Serenko erschien in deutscher Übersetzung bei Suhrkamp. Und der "Feministische Antikriegswiderstand" hat letztes Jahr sogar den Aachener Friedenspreis verliehen bekommen. Die "richtige" politische Position wird im heutigen Deutschland nun mal belohnt, so können auch Russen in der Medien- und Kulturlandschaft der Bundesrepublik ihren Platz finden – sofern sie laut für die Ukraine werben. Von wegen "Kultur-Boykott gegen Russland".

Ein anderes Paradebeispiel für die deutsche Unterstützungspolitik im Ausland ist der jüngste Werdegang des heute in Berlin lebenden russischen Exil-Journalisten Michail Sygar. In den Zehnerjahren wurde Sygar als "intimer Kenner des Kremls und der Machteliten" (wie er zum Beispiel auf der Webseite des Verlags Kiepenheuer & Witsch angekündigt wird) bekannt. Er schrieb eine Reihe von kremlkritischen Sachbüchern, die auch in Deutschland viel Beachtung fanden – diese Bücher wurden ins Deutsche übersetzt und in den Medien gefeiert.

Im Jahre 2022 wanderte Sygar nach Berlin aus und führt seither eine Reihe von russischsprachigen Medienprojekten, für dessen Finanzierung er die sogenannte "XZ Foundation" gründete. Das erklärte Ziel der Organisation ist es, "Putins Propagandablase mit Kultur, Kunst und Humanismus zum Platzen zu bringen". Da scheint es nicht verwunderlich, dass sich deutsche und andere westliche Förderer eingeladen fühlten, solch einen "Kulturkampf mit dem Bösen" großzügig zu unterstützen.

Es kam auch deshalb gelegen, weil die Bundesregierung hinsichtlich der Unterstützung von Akteuren in und aus Russland augenscheinlich auf die "Bekämpfung von Desinformation" gesetzt hat. Auf der Webseite des Auswärtigen Amtes heißt es, dass die geförderten Projekte "eines der vier Förderziele verfolgen müssen". Gleich das erste angeführte Ziel: "Pluralismus und Resilienzen stärken – um Meinungs- und Medienvielfalt zu unterstützen und Desinformation zu bekämpfen". Übersetzt aus dem Förderungsdeutsch bedeutet dies: prowestliche Narrative verbreiten.

Um dieses Förderziel explizit zu verfolgen, wurden auch extra Strukturen wie MiCT oder JX Fund geschaffen, die es sich zur Sache gemacht haben, "Exilmedien und unabhängige Medien zu stärken". Diese Strukturen werden ihrerseits direkt durch das Auswärtige Amt, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie andere öffentliche und private Spender finanziert – und das Geld wird dann an Projekte wie die von Michail Sygar verteilt.

Was sind das für Narrative, die beispielsweise vom Exil-Russen Sygar nun verbreitet werden? Es ist interessant, einen Blick darauf zu werfen. Ein Projekt aus dem Hause Sygar heißt "Russische Schurken". Es sind kurze Zeichentrickfilme, die russische historische Persönlichkeiten verspotten, vom mittelalterlichen Fürsten Alexander Newski bis Wladimir Lenin – und ein Bild vermitteln sollen, dass Russland und die russische Geschichte schon immer, welch Zeitalter man auch nimmt, blutig und ungerecht gewesen seien. Für diese Video-Reihe erntete Sygar selbst in den Reihen russischer prowestlicher Oppositioneller (zum Beispiel von ehemaligen Mitarbeitern von Alexei Nawalny) heftige Kritik: Geschichtsmanipulation sei hier so offensichtlich und grob gemacht, dass man diese Videos einfach nicht ernst nehmen könne.

Ein anderes Lieblingsthema von Sygar heißt "Dekolonialisierung". In verschiedenen Youtube-Videos wird suggeriert, dass Russland ein Land von Aggressoren sei, das schon immer alle Völker unterdrückt habe. Im letzten Video auf seinem Youtube-Kanal erzählt Sygar, wie blutrünstig die Russen angeblich bei der Eroberung Sibiriens gegen indigene Völker vorgegangen seien. Die Botschaft ist auch hier ziemlich klar und richtet sich vor allem an Tataren, Jakuten und andere Einwohner Sibiriens nicht-russischer Abstammung: "rebelliert gegen den russischen Staat, stellt ihn infrage".

Solche Aufrufe zur Desintegration, das Stiften von Unfrieden innerhalb der russischen Gesellschaft, die Sygar hier ganz offen, jedoch nicht sehr geschickt betreibt, sind bei verschiedenen Exil-Projekten mittlerweile zu einem Leitmotiv geworden. Zum Beispiel auch bei dem "Dekabristen e.V.", der sich auf der Webseite als "ein Berliner Verein und ein Netzwerk von jungen Osteuropa-Expert*innen" präsentiert und dessen Programme, wie es heißt, "durch das Auswärtige Amt, durch Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und sonstige öffentliche und private Stiftungen" finanziert werden.

Eins dieser Programme heißt "Feminist Translocalities: Förderung des Dialogs zwischen Frauenorganisationen aus Deutschland, Belarus, Russland, der Ukraine". Auf der Webseite der "Feminist Translocalities" ist ein "Appell zur Dekolonialisierung der Russischen Föderation" zu finden, in dem unverblümt zur "Vernichtung des Imperiums" und zur Zersplitterung Russlands in viele Einzelstaaten aufgerufen wird. Also wieder an den Feminismus gekoppelt und mit russlandfeindlichen Narrativen – aus Sicht der deutschen Förderer scheint das wohl die perfekte Kombi zu sein. Fehlen also nur noch die Ökos.

Und da ist sie ja (schon wieder): die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung, die im November 2023 ein Geschichtsforum zum Thema "Dekolonisiert Euch!" veranstaltet hat. "Das 11. Europäische Geschichtsforum griff die hochaktuelle Debatte um Dekolonialisierung in Bezug auf die Sowjetunion, Russland und auf den Westbalkan auf", heißt es auf der Webseite der Stiftung. Erneut eine öffentliche Legitimation des Gedankens, dass der russische Staat "dekolonialisiert" werden müsste. In diesem Fall wurde (zumindest, sofern man dem Artikel folgt, der im Nachgang über die Konferenz auf der Webseite der Stiftung veröffentlicht wurde) nicht direkt über die Auflösung Russlands diskutiert oder dazu aufgerufen, wie bei den oben genannten "translokalen Feministinnen". Jedoch allein die Formulierung im Untertitel des Artikels über das Forum, dass es "eine hochaktuelle Debatte um Dekolonialisierung in Bezug auf Russland" gäbe, verrät schon die Intention der Veranstalter.

Als Zusammenfassung: Unter dem Mantel des Feminismus und "ökologischer", Grünen-naher Inhalte, sowie unter dem Mantel des unabhängigen Journalismus werden – gefördert von deutschen öffentlichen Instanzen – Narrative verbreitet, die man in einer Situation der globalen Krise durchaus als Kriegspropaganda bezeichnen kann.

Und in dieser Situation könnte man meinen, dass die Förderung prowestlicher, als "Ökofeminismus" camouflierter Ideen gar nicht so verkehrt sei. Doch am Beispiel deutscher Förderungspolitik in Russland kann man ablesen, dass es dabei ein großes Problem gibt, und das heißt Effektivität.

Was haben die aus Deutschland finanzierten Russen erreicht, aus Sicht der Bundesregierung? Nicht viel. Um nicht zu sagen, gar nichts. In Russland blieben ihre Ideen marginal und alsbald ein offener Konflikt ausbrach, wanderten sie aus und werden jetzt vom deutschen Steuerzahler weitergetragen – nur im Exil. Die Unterstützung des Kremls durch die russische Bevölkerung ist seit 2022 sogar noch gewachsen, was durch zahlreiche Umfragen belegbar ist. Und es gibt jede Menge Gründe zu glauben, dass dieselbe Politik des deutschen Staates zum Beispiel in Afrika (erinnern wir uns an dieser Stelle wieder an die "Förderung positiver Maskulinität in Ruanda" oder "ökofeministische Entwicklungsalternativen in Südafrika") die gleichen Früchte tragen wird. Nämlich keine. Prowestliche, "ökofeministische" Narrative konnten sich in nicht-westlichen Gesellschaften nicht verfestigen – und werden in Krisensituationen sehr schnell abgeworfen.

Deshalb gibt es auch viele Gründe zu behaupten, dass die Hunderttausende und Millionen an öffentlichen Geldern sinnvoller im Inland ausgegeben werden könnten. Zum Beispiel im Sinne der Unterstützung für Bauern oder andere arbeitende Menschen in Deutschland.

Ganz zu schweigen davon, dass die Förderung von Oppositionen im Ausland in einer Situation, in der die eigene heimische Opposition in der Politik und in deutschen Mainstream-Medien vielerlei verunglimpft wird, zumindest doppeldeutig ist.

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