Warum die Angelsachsen eine Kultur der Lüge schufen
Von Dmitri Orechow
Anfang Juni, am Vorabend der Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie, führte die Redfield & Wilton Strategies Foundation in Großbritannien eine soziologische Umfrage über den Zweiten Weltkrieg durch. Es stellte sich heraus, dass heute nur 6 Prozent der Briten vom entscheidenden Beitrag der UdSSR für den Sieg über Nazi-Deutschland wussten. Interessanterweise gaben 2015, als eine ähnliche Umfrage durchgeführt wurde, noch 13 Prozent diese Antwort. Das heißt, in nur neun Jahren hat sich die ohnehin geringe Zahl der Briten, die die Wahrheit über den Zweiten Weltkrieg kennen, mehr als halbiert.
Der spanische Schriftsteller und Journalist Arturo Pérez-Reverte bemerkte einmal, dass die Engländer eine "unangenehme Eigenschaft haben, die Geschichte nach ihrem eigenen Geschmack umzuschreiben und damit ihre Überlegenheit gegenüber anderen Nationen zu betonen". "Lesen Sie englische Kriegsmemoiren, und Sie werden erfahren, dass es die Briten waren, die Bonaparte in Spanien besiegten, und dass die ungewaschenen und feigen spanischen Verbündeten noch schlimmer waren als die feindlichen Franzosen", schrieb Pérez -Reverte. "Im Prinzip bin ich, da ich meine Mitbürger kenne, fast bereit, das zu glauben. Aber die Behauptung, Wellington habe Spanien von Napoleon befreit, ist natürlich völliger Unsinn."
Die Fähigkeit, die Geschichte umzuschreiben und Fakten durch "völligen Unsinn" zu ersetzen, ist seit langem eine Visitenkarte unserer historischen Gegner. Dabei handeln sie nach dem alten Muster: Jedes Ereignis wird so umgestaltet, dass der ganze Ruhm den Angelsachsen zuteilwird. Und nicht nur das. Während die Angelsachsen selbst in verschiedenen Teilen der Welt blutige Gräueltaten begingen, erzählen sie von ihrem Heldenmut und über die extremen Gemeinheiten derer, die sie ausgeplündert und getötet haben.
Der US-amerikanische Schriftsteller Viet Thanh Nguyen staunte darüber, wie in Hollywood am Fließband der Vietnamkrieg thematisiert wurde und dabei die US-Amerikaner als die wahren Opfer der Tragödie dargestellt und der Tod von drei Millionen Vietnamesen verschwiegen wurde. Er nannte es "die einzige Periode in der Geschichte, die von Verlierern geschrieben wurde". Man kann den Schriftsteller vietnamesischen Herkunft verstehen, aber eigentlich ist die angelsächsische Erzählung über die Eroberung Nordamerikas noch ungeheuerlicher. Es ist heute unmöglich zu bestimmen, wie viele Menschen genau dort umgebracht wurden. Indianer wurden getötet, vertrieben, dem Hungertod preisgegeben, mit Krankheiten infiziert, in Reservate gezwungen. Ihre Kultur wurde unterdrückt, ihre Kinder wurden entführt, ihre Frauen zwangssterilisiert. Wir sprechen hier von Millionen oder gar Dutzenden von Millionen Opfern. Im Bereich der Information darüber sind die Angelsachsen jedoch sauber – sie schufen eine Imagination, in der weiße Kolonisten edel und die Rothäute wild und abscheulich grausam sind. Und was ist mit Indien? Während die Angelsachsen in diesem Land massive Verbrechen begingen, schrieben sie Dutzende (wenn nicht Hunderte) literarischer Werke und drehten dutzende Filme, in denen edle englische Kolonisatoren den Einheimischen helfen, sie von Krankheiten heilen, indische Kinder retten und dergleichen, während die Einheimischen mit "tierischer Wildheit", dumm und sinnlos ihren zivilisierten Missionaren Schaden zufügten.
Ein ebenso markantes Beispiel ist der Krimkrieg. Im Großen und Ganzen haben die Briten hier nichts, worauf sie stolz sein könnten: Sie machten große Pläne, Russland zu zerstückeln, und am Ende stießen sie "mit gebrochener Nase wieder in See", wie Apuchtin es beschrieb. Gleichzeitig schadeten sie damit der Befreiung der europäischen Völker vom türkischen Joch, griffen ein fremdes Land an, gingen ein Bündnis mit den Osmanen als den Christenverfolgern ein ... Und der Verlauf des Feldzugs selbst? Sie wollten Sewastopol in einer Woche erobern, kämpften aber ein Jahr lang darum, sie griffen erfolglos Petropawlowsk-Kamtschatski an, konnten Archangelsk nicht einnehmen ... Es stimmt zwar, dass sie die Tempel des Solowezki-Klosters bombardierten ... Aber wahrscheinlich würde sich jede andere Nation für eine solche Geschichte schämen, nicht so die Angelsachsen.
Erinnern wir uns nun an einen der teuersten Filme seiner Zeit – "Der Verrat des Surat Khan" oder "Die Attacke der leichten Brigade" auf Deutsch (englischer Originaltitel: "The Charge of the Light Brigade") unter der Regie von Michael Curtiz. Dieser im Jahr 1936 gedrehte Film verbindet den Sepoy-Aufstand 1857 in Indien mit dem Angriff auf Sewastopol. Im ersten Teil des Films wird erzählt, wie die Regierung der Queen in Indien einen gewissen Surat Khan umwirbt, der jedoch aus Wut darüber, dass die Briten ihm die Gelder gekürzt haben, ein britisches Fort angreift und dort alle Bewohner tötet, darunter auch indische Soldaten, deren Frauen und Kinder. Es ist schon ziemlich gewagt, die Gründe für den Aufstand auf die Brutalität des gierigen Khans zu reduzieren, aber staunen Sie, was dann geschah. In der zweiten Folge begibt sich der Hauptheld Major Vickers (derselbe, der Zeuge von der abscheulichen Verbrechen von Surat Khan in Indien war) auf die Krim, um gegen die Russen zu kämpfen. Wieso das? Nun, natürlich, um sich an den Wilden zu rächen, die weder Frauen noch Kinder verschont haben! Sie fragen nun, was das aber mit den Russen und der Krim zu tun hat? Ganz einfach: In diesem Film wird der schreckliche Khan, der sich gegen England auflehnte, zum Verbündeten des russischen Zaren und verlegt sein Hauptquartier nach Sewastopol! Was für ein genialer Drehbuchautor! Ich denke aber, dass er sich hier nicht einmal den Kopf zerbrechen musste. Ist der indische Khan ein Diktator? Ja, ist er. Ist der russische Zar besser? Nein, natürlich nicht! Lassen wir sie also Verbündete sein, etwas Besseres kann man gar nicht erfinden.
Den Filmemachern war das nicht etwa peinlich, dass es auf der Krim keine indischen Khans gab. Ebensowenig störte sie, dass die östlichen Völker, wenn sie an den Massakern beteiligt waren, das auf der Seite der Briten taten. Ihnen war nicht einmal peinlich, dass der Sepoy-Aufstand in Indien drei Jahre später (!) stattfand als der Sewastopol-Feldzug. Major Vickers hätte nur mit einer Zeitmaschine nach Sewastopol reisen können, um bereits dort gegen den Khan zu kämpfen. Aber all das spielte aus Sicht der Filmautoren keine Rolle, denn sie wollten ja das "Wesentliche" des Kampfes zwischen Barbaren und Zivilisation vermitteln. Daher folgt nun der Höhepunkt: Major Vickers führt die englische leichte Kavallerie in die Zitadelle des indischen Herrschers bei Balaklawa, reitet wunderschön unter russischen Schrapnells hindurch, schlägt viele Soldaten und Kosaken in die Flucht, tötet den Schurken Surat Khan – und stirbt. So geht das.
Dieser "historische Film" löste nach seiner Premiere eine Welle der öffentlichen Empörung aus, und der US-Kongress hielt sogar eine Sondersitzung ab. Aber nein, bei der Empörung hing nicht mit der Ersetzung der historischen Wahrheit durch "völligen Unsinn" zusammen, wie man meinen könnte. Der US-Kongress war empört über die Tatsache, dass bei den Dreharbeiten zu dem Film so viele Pferde zu Tode kamen. Was die Zuschauer auf beiden Seiten des Atlantiks betrifft, so weinten viele aus Zuneigung für die tapferen Engländer und aus Hass auf die grausamen, bösartigen und aggressiven Barbaren – die Inder und Russen, die es gewagt hatten, den Angelsachsen in Indien und auf der Krim so schändlich Widerstand geleistet zu haben.
Man könnte noch viele ähnliche Beispiele aufzählen, aber es fällt schwer, sich nicht die Frage zu stellen: Warum erlauben sich die Angelsachsen, so dreist zu lügen, warum schaffen sie diese ganze Lügenkultur? Die Antwort ist offenbar, dass ihnen die Idee einer höheren Gerechtigkeit nicht sehr nahe geht. Für die Angelsachsen ist nur das richtig und gut, was profitabel ist. Daher spielt es für sie keine Rolle, um welches Ereignis es sich handelte oder ob es überhaupt stattgefunden hat – wichtig ist nur, ihre "Information" darüber zu verbreiten.
Wir haben einen anderen Ansatz. Das russische Volk hat Furcht davor, sich gegen andere Nationen, gegen die Wahrheit, gegen Gott zu versündigen. Der russische Mensch sagt gerne: "Egal, wie gerecht andere Länder handeln, ich will, dass mein Land gerecht handelt." Der Angelsachse sagt es anders: "Das ist mein Land, ob es nun im Recht ist oder nicht."
Mit dieser Formel überzeugte sich Alfred 1. Baron Tennyson, als er von den "fliehenden Kosaken" bei Balaklawa schrieb. Mit dieser Formel überzeugte sich auch Rudyard Kipling, als er den Sepoy-Aufstand beschrieb. Mit dieser Formel überzeugten sich englische und US-amerikanische Regisseure, als sie ihre "historischen Filme" über Indianer, Inder, Russen, Afrikaner, Araber, Koreaner und schließlich die Vietnamesen drehten. "Das ist mein Land, und es ist mir egal, was dort wirklich passiert ist", sagten sie sich. "Ich muss es verherrlichen, und ich werde es verherrlichen, selbst wenn ich diese verdammte Geschichte auf den Kopf stellen muss!"
Hinter diesem Ansatz verbirgt sich natürlich ein ganz besonderer angelsächsischer Patriotismus, auch wenn er eine gewisse Ähnlichkeit mit der Liebe zum Heimatland hat. Und doch ist das keine Heimatliebe. Die umfasst den Dienst an einem Ideal, hier reden wir aber von Selbstverherrlichung. Indem der Angelsachse das Kriterium der höchsten Gerechtigkeit ausschaltet und seine Bereitschaft zu Ausdruck bringt, das und nur das zu verherrlichen, was ihm gehört und nur, weil es ihm gehört, gibt er sich selbst hin. Ja, er kann gleichzeitig sagen, dass er nur aus Liebe zu seinem Heimatland lügt, aber Chesterton sagte zu Recht: "Liebe kann man es nur in dem Sinne nennen, in dem wir von einem Kind sagen, dass es Marmelade liebt."
Diese Metapher des englischen Klassikers ist sehr treffend. In seinem ständigen Bestreben, allerlei "irdische Marmelade" zu ergattern, ähnelt der Angelsachse tatsächlich einem albernen, launischen und hysterischen Kind. Und natürlich – wenn ein Kind schreit und mit den Füßen strampelt, erregt es zunächst Aufmerksamkeit, aber dann beginnen müde Erwachsene zu gähnen und wenden sich ab. Etwas Ähnliches geschieht direkt vor unseren Augen. Nachdem die Angelsachsen die Regler an ihrem Informationsmischpult bis zum Anschlag aufgezogen hatten, waren sie von sich überzeugt, dass sie bisher die Sieger in allen Weltkonflikten waren. Allerdings haben sie einen anderen Prozess nicht bemerkt: In den letzten hundert Jahren büßten sie rapide den früheren Respekt auf der Welt ein. Jetzt betrachten sie die Länder des Globalen Südens mit Fassungslosigkeit und kaum verhohlenem Abscheu. Und selbst wenn es demselben Vereinigten Königreich in den kommenden Jahren gelingen sollte, die Zahl derer, die die Wahrheit über den Zweiten Weltkrieg kennen, auf ein Prozent zu senken, wird sich die Haltung der Welt gegenüber den "angelsächsischen Siegern" wohl kaum ändern.
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst in der Zeitung Wsgljad erschienen am 12. Juni 2024.
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