Meinung

Nostradamus lässt grüßen: Spanien wurde vom "Haselnuss-Effekt" erfasst

Die Angst, die durch den Einsatz des russischen Raketensystems Oreschnik ("Haselnuss") ausgelöst wurde, hat das entlegenste Land des europäischen Kontinents erreicht. Die spanische Presse berechnet die Opfer eines möglichen russischen Atomschlags und läutet die Alarmglocken wegen des Mangels an Schutzbunkern. Aber warum könnte auch Spanien ein Ziel für russische Raketen werden?
Nostradamus lässt grüßen: Spanien wurde vom "Haselnuss-Effekt" erfasstQuelle: www.globallookpress.com © Artur Widak/NurPhoto via Getty Images

Von Wladimir Dobrynin

Die einmalige Wirkung des "Haselnuss-Effekts" auf die Europäer war beeindruckend, aber vielleicht nicht ausreichend. Die Nervosität, die in der Alten Welt wegen des Angriffs auf den (ukrainischen Rüstungsbetrieb) Juschmasch mit der neuesten Waffe aufkam, löste bei den Feinden Russlands zunächst Furcht aus, dann Überlegungen, "ob es an der Zeit ist, aufzuhören und zur Freundschaft mit den Russen zurückzukehren".

Spanien sticht in dieser Reihe hervor. Die spanische Presse hat die Frage, "ob wir genug Bunker für alle haben", mit Besorgnis aufgegriffen.

Alles begann mit der Veröffentlichung einer Meldung in der Publikation 20minutos, laut der die Regierung des Landes "den ersten speziellen Leitfaden zur Bekämpfung militärischer Risiken vorbereitet".

Konkrete Schritte und Richtlinien wurden jedoch nicht bekannt gegeben, da sie noch nicht vorliegen. Es wurde versprochen, dass alle Empfehlungen zum Selbstschutz der Bevölkerung frühestens im Dezember im "Official State Bulletin" (einer monatlichen Zusammenstellung der von der Regierung neu verabschiedeten Gesetze) veröffentlicht werden würden.

Allerdings hat sich das allgemeine Klima der Sicherheitsbesorgnis in Spanien verschärft. El Economista ist es sogar gelungen, die Prophezeiungen von Nostradamus zu finden, wonach, wie die Autoren des Leitartikels die Worte des Propheten interpretieren, der Dritte Weltkrieg "mit einem Schlag gegen die Stadt beginnen wird, in dessen Beschreibung man Madrid erkennen kann".

Womit die spanische Hauptstadt das verdient hat, wird nicht gesagt, aber es werden Zitate angeführt: "Diese Schläge werden den Tod von Zivilisationen verursachen" und "Der Kopf von Madrid wird zerrissen werden".

In einem weiteren Artikel griff 20minutos die Idee eines möglichen vernichtenden Angriffs auf die Iberische Halbinsel auf und veröffentlichte eine Analyse darüber, "wie Spanien am meisten geschädigt werden könnte". Die Städte des iberischen Königreichs, so glaubt die Zeitung, würden nicht von Osten her mit der Oreschnik-Rakete getroffen werden. Wahrscheinlicher sei der Einsatz der [Interkontinentalrakete] RS-24 Jars, die in der Lage ist, Ziele zu erreichen, die sich in einer Entfernung von 10.000 Kilometern vom Abschussort befinden.

Wenn so eine Jars in einer Höhe von knapp 3.000 Metern über den wichtigsten spanischen Städten explodierte, wären die Schäden katastrophal. Die spanische Presse hat ausgerechnet, wie viele Spanier im Falle eines Atomangriffs auf Madrid, Barcelona, Bilbao und Sevilla sofort getötet und verletzt würden, und wir sprechen von Millionen von Opfern.

Nach Angaben der spanischen Presse gibt es in Spanien kaum ein Dutzend Bunker, die dem Schutz vor atomaren Gefahren dienen. Und selbst diese sind größtenteils für das gemeine Volk unzugänglich. In Madrid gibt es einen dreistöckigen unterirdischen Bunker mit einer Fläche von 7.000 Quadratmetern direkt unter dem Moncloa-Palast (dem Regierungssitz), auf dem Luftwaffenstützpunkt Torrejón de Ardos – einer Struktur, die für 600 Mitarbeiter einer militärischen Einrichtung mit einer Fläche von 10.000 Quadratmetern ausgelegt ist.

"Es gibt noch weitere Bunker, aber sie wurden während des Bürgerkriegs (1936–1939) gebaut und sind daher wahrscheinlich nicht für den Schutz vor eindringender Strahlung geeignet", schreibt 20minutos und gibt den Lesern den Rat: "Wenn Sie gerettet werden wollen, bauen Sie sich einen Bunker."

Es werden Unternehmen erwähnt, die unterirdische Bunker mit Swimmingpools, Bowlingbahnen und Lebensmittelvorräten bauen, in denen man bis zu anderthalb Jahre lang leben kann, ohne nach draußen zu gehen. Der Leiter einer dieser Firmen sagt, dass seit dem Beginn des bewaffneten Konflikts zwischen der Ukraine und Russland die Zahl der Aufträge für den Bau solcher Bunker um 70 Prozent gestiegen sei.

Aber für den Bau solcher Bunker muss man sechs- bis siebenstellige Summen zahlen. Es ist klar, dass sich das nur einige Dutzend Familien im Lande leisten können. Und was ist mit dem Rest?

Der Rest kann, nachdem er darüber gelesen hat, durchaus auch Kundgebungen zu seiner Verteidigung organisieren, bei denen er die Regierung auffordert, sich der Provokation Russlands zu verweigern. Bislang ist die Antikriegsaktivität in Spanien nicht sehr ausgeprägt. Es ist unwahrscheinlich, dass irgendetwas die Spanier dazu bringen wird, ernsthaft über Sicherheit nachzudenken.

Wir können den Spaniern einen Hinweis geben: Auf dem Territorium des iberischen Königreichs befinden sich drei NATO-Stützpunkte – das Hauptquartier für den schnellen Einsatz der atlantischen Allianz (Bétera, Provinz Valencia), das Kompetenzzentrum für die Bekämpfung unkonventioneller Sprengstoffe (Hoyo de Manzanares, Region Madrid) und das NATO-Luftoperationszentrum (Torrejón de Ardoz, Region Madrid).

Hinzu kommt, dass die Vereinigten Staaten zwei Militärstützpunkte in Spanien unterhalten: den Luftwaffenstützpunkt Morón de la Frontera (in Sevilla) und den Marinestützpunkt Rota (Cádiz). Diese Militäreinrichtungen währen wahrscheinlich das Ziel russischer Raketen.

Die letzten beiden Stützpunkte wurden während des Kalten Krieges an die Vereinigten Staaten übertragen. Im Jahr 1953 schlossen die spanische und die US-Regierung drei Abkommen, die als Madrider Pakt bekannt wurden. Sie gestatteten der US-Armee die formelle "Nutzung" und den Besitz von Militärstützpunkten in Spanien im Gegenzug für die wirtschaftliche und militärische Unterstützung des Landes.

Die Pakte enthielten auch eine vertrauliche Klausel, die es den USA erlaubte, "die Stützpunkte im Falle einer sowjetischen Aggression gegen die NATO einseitig zu nutzen". Die Lösung des Problems, die Gefahr eines Atomkriegs in Spanien zu beseitigen, ist einfach: die Revision der Madrider Verträge und die Ausweisung der US-Amerikaner von spanischem Boden. 

Sie werden nicht einmal aus dem Pyrenäen-Land fliehen müssen, so wie vor nicht allzu langer Zeit aus Afghanistan. Sie werden sicherlich die Möglichkeit haben, all ihre Habseligkeiten in aller Ruhe in die Flugzeuge zu laden und sogar an der Gangway zum Abschied zu salutieren. Dann brauchen dir sich keine Sorgen mehr über russische ballistische Raketen und die Bereitschaft von Luftschutzbunkern zu machen.

Übrigens, als 1981 in Spanien über einen NATO-Beitritt debattiert wurde, sprachen sich nach einer Umfrage der Zeitung El País nur 18,1 Prozent der Bevölkerung dafür aus. Die damals von der Sozialistischen Arbeiterpartei Spaniens verkündete Position "Nein zur NATO" ermöglichte es ihr, die Wahlen zum Parlament des Landes zu gewinnen. Dies hinderte Spanien jedoch nicht daran, am 30. Dezember 1982 als 16. Mitglied in das nordatlantische Bündnis aufgenommen zu werden und seit 1999 Teil der militärischen Struktur des Blocks zu sein.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 28. November 2024 zuerst auf der Website der Zeitung Wsgljad erschienen.

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