Meinung

Ukraine-Krieg: Der diplomatische Eiertanz nimmt kein Ende

Gespannt blickt die Welt auf die Friedensbemühungen für die Ukraine. Sie haben Züge einer Seifenoper. In Moskau ist jetzt ein nüchterner Blick vonnöten, denn zu groß ist die Gefahr, dass Teillösungen sich als Scheinlösungen herausstellen, die das Leiden nur verlängern, findet Tatjana Montjan.
Ukraine-Krieg: Der diplomatische Eiertanz nimmt kein EndeQuelle: Gettyimages.ru © Andrew Harnik/Getty Images

Von Tatjana Montjan

Wir verfolgen weiterhin gespannt die komplexe und verwirrende Seifenoper um die Verhandlungen zwischen den USA, der Ukraine und Russland. Meiner Meinung nach sind die Aussichten auf einen Waffenstillstand oder zumindest eine teilweise Einstellung der Feindseligkeiten allerdings äußerst gering.

In der letzten Folge der Endlosserie schlug Selebobus am letzten Tag des von Putin ausgerufenen "Oster-Waffenstillstands" ein 30-tägiges Moratorium für Raketen- und Drohnenangriffe auf Objekte der zivilen Infrastruktur vor. Russland verlautbarte aus dem Munde Peskows, darüber könne man diskutieren, man müsse sich dazu aber persönlich treffen und reden. Man forderte also direkte Gespräche zwischen Russland und der Ukraine. Dazu wiederum müsse jedoch zunächst Selenskijs Dekret aus dem Herbst 2022 aufgehoben werden, das solche Verhandlungen verbietet.

Die Worte Peskows wurden in Kiew bereits (indirekt) kommentiert: Selebobus selbst hat sich im Grunde genommen geweigert, das Dekret aufzuheben, und behauptet, dass es kein Hindernis für Verhandlungen sei. Er fügte hinzu:

"Auch unser Vorschlag für einen Waffenstillstand für zivile Ziele bleibt in Kraft. Was wir brauchen, ist die ernsthafte Bereitschaft Russlands, darüber zu sprechen. Von ukrainischer Seite gibt es keine Hindernisse, und es wird auch keine geben."

Es ist nicht das erste Mal, dass der Kreml auf die Notwendigkeit hinweist, dass das ukrainische Dekret, das Verhandlungen mit Russland verbietet, aufgehoben werden muss; und zwar vor allem deshalb, weil er weiß, dass Selenskij der Aufhebung des Dekrets niemals zustimmen wird. Für ihn wäre es ein schmerzhafter Schlag gegen sein Ego, der auch seine Position im Lande verschlechtern und zur Demobilisierung der Gesellschaft beitragen würde.

Was die Idee eines Moratoriums für Angriffe auf zivile Infrastrukturen angeht, so ist dies ein sehr komplexes, ja kompliziertes Thema, denn in der modernen Kriegsführung ist es ziemlich schwierig, eine Grenze zwischen ziviler und militärischer Infrastruktur zu ziehen. Das ukrainische Speckreich macht beispielsweise keinen Hehl daraus, dass es die Produktion von militärischem Gerät "dezentralisiert hat und Montageanlagen für Drohnen buchstäblich in privaten Garagen und sogar in Wohnungen untergebracht sind. In den offiziellen Berichten der ukrainischen Behörden wird auch der gestrige Angriff auf das militärische Forschungsinstitut "Storm" in Odessa, das zweifellos Teil der Rüstungsindustrie ist, als "Angriff auf die zivile Infrastruktur" bezeichnet.

Und das ist der Punkt, von dem intelligente Menschen (mich eingeschlossen!) immer sprechen: Es ist unmöglich, einen Krieg halbherzig zu führen oder immer wieder einen Waffenstillstand, der auf dieses oder jenes beschränkt ist, oder Vereinbarungen nach dem Prinzip "hier kämpfen wir, hier kämpfen wir nicht" zu schließen. Alle diese Vereinbarungen über Teilaspekte werden nur zu einer Verlängerung des Krieges und zu noch mehr Opfern und Zerstörung führen. Der US-Amerikaner Thomas J. Penn, der die Politiker seines Landes gut kennt, warnte Moskau in diesem Zusammenhang vor Naivität und Euphorie:

"Donald Trump wird alles in seiner Macht Stehende tun, um dafür zu sorgen, dass Russland nicht in der Lage ist, seine Souveränität zu behaupten und den US-Dollar zusammen mit anderen BRICS-Mitgliedern weiterhin herauszufordern. Wenn Trump Russland in der Ukraine nicht durch einen Deal in die Knie zwingt, wird er den Kampf dort fortsetzen.

Wenn sich Putin auf irgendwelche Deals mit Trump einlässt, ist es für Russland vorbei, und das sollte nach diesem Betrugsversuch biblischen Ausmaßes sonnenklar sein. Putin muss standfest wie ein Fels bleiben! Russland darf Washington unter dem gegenwärtigen Währungsparadigma niemals vertrauen, niemals! Jeder Deal, den sie jetzt mit Washington eingehen, wird sie zerstören."

Deshalb bin ich gegen ein Waffenstillstandsabkommen. Wir brauchen Frieden, und zwar ernsthaft und für lange Zeit. Und ein solcher Frieden ist nur nach unserem Sieg möglich.

Tatjana Montjan ist eine ukrainische Rechtsanwältin und Strafverteidigerin, Publizistin und Bloggerin. Vor Beginn der russischen militärischen Intervention musste sie Kiew verlassen, nachdem sie vor der UNO über die Zustände in der Ukraine gesprochen hatte. Derzeit lebt sie im Donbass, engagiert sich für humanitäre Hilfe und führt Videoblogs. Man kann ihr auf ihrem Telegram-Kanal folgen. 

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Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.