
Europa sitzt in der diplomatischen Sackgasse – und riskiert die Ausweitung des Ukraine-Konflikts

Von Boris Roschin
Kern des Problems ist, dass die Diskussionen zwischen Russland und den USA über die Aussichten auf ein Ende des Krieges in der Ukraine für die EU eine neue strategische Realität geschaffen haben. In dieser Realität hat das Folgen im Kielwasser des Washingtoner Kurses von 2022 bis 2024 unter der Biden-Regierung Europa in eine diplomatische Sackgasse geführt.

EU-Eliten hatten damit gerechnet, mit den Händen der ehemaligen Ukrainischen SSR Krieg gegen Russland zu führen – im Namen Europas und auf Kosten Europas – und sich darauf gefasst, jahrelang hohe finanzielle Kosten zu tragen. Das hat der europäischen Wirtschaft schon jetzt einen schweren Schlag versetzt, wie EU-Vertreter selbst offen erklären. So wurde in der EU die Möglichkeit einer tatsächlichen Beendigung des Krieges auf diplomatischem Wege verneint und alles auf eine rituelle Demonstration von Drohungen und Ultimaten reduziert, zumal eine Reihe von EU-Ländern bereits faktisch in den Konflikt verwickelt sind.
Washingtons abrupter Kurswechsel überraschte Europa, da man dort eindeutig auf einen Sieg von Kamala Harris gesetzt hatte. Doch dann kam Trump und beschloss auf Grundlage seiner eigenen Prioritäten, die Verhandlungen mit Russland wieder aufzunehmen.
Washington begann direkte, de facto separate Verhandlungen mit dem Kreml und ignorierte dabei die Interessen seiner europäischen Satelliten. Es ist kein Zufall, dass Europa und die Ukraine unmittelbar nach Beginn dieser Kontakte öffentlich einen Platz am Verhandlungstisch forderten. Denn während unter Biden das allgegenwärtige Mantra "Keine Verhandlungen über die Ukraine ohne die Ukraine" lautete, ist unter Trump alles umgekehrt – die USA und Russland diskutieren über das Schicksal der Ukraine ohne die Ukraine. Und ohne Europa.
Daher die vielen de facto Abbrüche diplomatischer Treffen, das ganze Rasseln mit Atomwaffen, die Hysterie um eine "Truppenentsendung" und andere radikale Bemerkungen kurz vor – oder teils auch weit über – dem Rand des Eklats, mit denen die EU versuchte, auf sich aufmerksam zu machen und sich im künftigen Prozess zumindest einen Platz zu sichern. Doch die Verhandlungen zwischen den USA, der EU und der Ukraine in Paris sowie das gestörte Treffen in London haben nur bestätigt, dass Washington seinen eigenen Kurs gewählt hat: Die Anwesenden über die mit Russland erzielten vorläufigen Vereinbarungen zu informieren und lediglich deren bedingungslose Annahme vorzuschlagen.
Und natürlich weiterhin dazu aufzufordern, die von Trump aufgetragenen "Hausaufgaben" zu erledigen: Erhöht die Verteidigungsausgaben von zwei auf fünf Prozent des BIP und nehmt neue Zölle auf europäische Waren hin.
Derzeit besteht die vorherrschende Linie in der EU noch immer darin, den Stellvertreterkrieg mit Russland so lange wie möglich auszudehnen. Dies erfordert enorme Ressourcen. Schon allein um die Versorgung Kiews mit Material im derzeitigen Volumen aufrechtzuerhalten. Das Problem wird sich noch verschärfen, wenn die USA ihre Militärhilfe kürzen oder zumindest deutlich reduzieren. Dennoch zeigt Europa seine Bereitschaft, die Versorgung der ukrainischen Streitkräfte mit Gerät, Munition, Ausrüstung und Nachschub über einen längeren Zeitraum zu unterstützen. Einige EU-Staats- und Regierungschefs erklären offen, dies sei notwendig, um Europa auf einen umfassenden Krieg gegen Russland bis 2029/2030 vorzubereiten.
Dies lässt darauf schließen, dass Europa – wie schon vor drei Jahren – an der Idee, Russland eine strategische Niederlage zuzufügen, nach wie vor festhält. Dafür ist man dort bereit, die Ukraine fürderhin mit Waffen zu beliefern und, mehr noch, dafür wirtschaftliche Verluste und zunehmende soziale Spannungen innerhalb der EU in Kauf zu nehmen.
Falls die USA die EU im Rahmen ihrer eigenen Abkommen mit Russland nicht zum Überdenken dieser Linie zwingen können, so kann Europa die Agonie des Kiewer Regimes um Jahre verlängern. Hierfür verfügt es noch immer über genügend Ressourcen. Das Regime in Kiew selbst und vor allem die ihm unterworfenen Menschen werden nach wie vor Verbrauchsmaterial des Westens im Stellvertreterkrieg gegen Russland bleiben. Der Verlust von Menschenleben, zumal es größtenteils nicht eigene sind, sowie von Gerät und Territorium, wird von den Konfliktverursachern als akzeptabler Preis betrachtet, wenn es darum geht, die "großen Ideen" für den Aufbau einer "neuen Weltordnung" zu verwirklichen. Selbst angesichts des Risikos eines umfassenden Weltkriegs mit nuklearen Folgen.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei RT am 3. Mai 2025.
Boris Roschin ist Experte am Zentrum für militärpolitische Journalistik. Man kann ihm auf seinem Telegram-Kanal folgen.
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