Meinung

Macron und von der Leyen bieten US-Forschern "Zuflucht" in Europa – und kürzen die Budgets

Das hehre Ziel der Freiheit der Wissenschaft in Europa auch für die in den USA von Präsident Trump bedrängte formulierten der französische Staatspräsident und die EU-Kommissionspräsidentin. Ein genauerer Blick entlarvt dies als PR-Gag, reichen die Mittel doch nicht einmal für die europäischen Kollegen.
Macron und von der Leyen bieten US-Forschern "Zuflucht" in Europa – und kürzen die BudgetsQuelle: www.globallookpress.com © Lionel Urman/Keystone Press Agency

Von Pierre Lévy

Am 5. Mai hatte Emmanuel Macron, flankiert von der Präsidentin der Europäischen Kommission und mehrerer Kommissare, den prestigeträchtigen Rahmen des großen Hörsaals der Sorbonne gewählt, um einen Doppelplan vorzustellen, der – natürlich auf Englisch – den Namen "Choose France for Science" und "Choose Europe for Science" ("Wähle Frankreich für die Wissenschaft" und "Wähle Europa für die Wissenschaft") trug.

Das erklärte Ziel: nichts Geringeres, als die wissenschaftliche Forschung vor den Schlägen Donald Trumps zu retten und insbesondere amerikanische Forscher, deren Projekte gestrichen oder eingeschränkt wurden, dazu aufzurufen, auf dem alten Kontinent Zuflucht zu suchen. 

Der "PR-Gag" war klar: Die Europäische Union solle ein Zufluchtsort für die Wissenschaft sein, die derzeit vom Obskurantismus Washingtons misshandelt werde. Und es stimmt, dass das Weiße Haus keinen Hehl daraus macht, die Finanzierung amerikanischer Universitätsarbeiten an ideologische Kriterien knüpfen zu wollen. 

Angesichts der bisherigen europäischen Initiativen und der Höhe der Summen, um die es geht, kann man ernsthaft bezweifeln, dass die Ankündigungen der Sorbonne zu nennenswerten Ergebnissen führen werden. Und man versteht die Empörung der französischen Forscher, die kürzlich drastische Kürzungen ihrer eigenen Budgets hinnehmen mussten. Vor allem aber muss man die Legitimität der erklärten Ziele hinterfragen. 

Was diesen Punkt betrifft, sei daran erinnert, dass die Förderung der öffentlichen wissenschaftlichen Forschung in der Verantwortung der Staaten liegt; und dass diese berechtigt sind, internationale Kooperationen zu fördern und zu begünstigen, die weit über die kleinen Grenzen der Europäischen Union hinausgehen. Zu den zahlreichen Beispielen zählen das CERN (Kernforschung mit dem Vereinigten Königreich, Serbien und der Schweiz), die ISS (Internationale Raumstation, an der amerikanische, russische, kanadische, japanische und europäische Raumfahrtbehörden beteiligt sind) oder auch ITER (Kernfusionsforschung, an der insbesondere China, Russland und Indien beteiligt sind). 

Ein paar Hundert Millionen Euro gegen 200 Milliarden Dollar

Aber für Ursula von der Leyen wie für ihren französischen Kollegen ist jede Gelegenheit gut, um – irreführende – Werbung für die Europäische Union zu machen, die angeblich immer "auf der richtigen Seite der Geschichte" steht: Wissenschaft, Ukraine, Frieden, Gerechtigkeit und Wohlstand ... 

Konkret hat Paris 100 Millionen Euro und eine Plattform angekündigt, auf der Angebote für die Aufnahme ausländischer Forscher, insbesondere aus den USA, veröffentlicht werden sollen. Dies soll Projekte mit einer Laufzeit von drei bis fünf Jahren betreffen und Vorschläge von Universitäten und öffentlichen Einrichtungen ergänzen. 

Die Präsidentin der Kommission hat ihrerseits 500 Millionen Euro zur Verbesserung der "Attraktivität Europas" für den Zeitraum von 2025 bis 2027 versprochen. Wie ihr französischer Kollege hat sie sich dazu verpflichtet, "die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung durch ein neues Gesetz über den europäischen Forschungsraum gesetzlich zu verankern"

Ein Blick auf einige Zahlen relativiert diese Ankündigungen jedoch. Während die EU mit einigen Hundert Millionen Euro winkt, beläuft sich das Forschungsbudget der USA auf 200 Milliarden Dollar. 

Und was Frankreich betrifft, so steht die plötzliche Großzügigkeit des Élysées-Palastes in krassem Gegensatz zu den massiven Mittelkürzungen, von denen die französischen Universitäten in letzter Zeit insbesondere aufgrund der von Brüssel vorgegebenen Haushaltszwänge betroffen waren. 

Allein für das laufende Jahr wurden gerade 387 Millionen Euro aus dem Forschungsbudget 2025 gestrichen – und das erst am 25. April! Und seit Januar 2024 wurden insgesamt 1,6 Milliarden Euro gekürzt ... Unter diesen Umständen ist die Wut der Forscher, sowohl französischer als auch ausländischer Forscher, die in Frankreich arbeiten, verständlich, denen nun mitgeteilt wird, dass US-amerikanische Kollegen abgeworben werden sollen. Auch wenn der Staatschef natürlich bestreitet, dass er plant, die einen durch die anderen zu ersetzen. 

Die unter dem Druck Brüssels vorgenommenen Mittelkürzungen sind natürlich keine französische Ausnahme. Sie betreffen in unterschiedlichem Maße alle EU-Staaten. Italien, Belgien und die Niederlande werden insbesondere für ihre Kürzungen im Forschungshaushalt genannt. 

Unterordnung der Wissenschaft unter die Wettbewerbsfähigkeit

Die vom französischen Präsidenten und der EU-Kommissionspräsidentin angekündigte finanzielle Unterstützung ist daher nur Augenwischerei. Das ist nicht wirklich überraschend: Seit einem Vierteljahrhundert gilt ein Ziel von drei Prozent des BIP der Union für Forschungsausgaben, und alles deutet darauf hin, dass dieses Ziel bis 2030 bei Weitem nicht erreicht werden wird. 

Umso mehr, als die ersten Diskussionen über den mehrjährigen Gemeinschaftsrahmen 2028 bis 2034 nun beginnen. Und ersten Angaben zufolge könnte das bisherige Forschungsrahmenprogramm als solches verschwinden und in sogenannte "Wettbewerbsprogramme" integriert werden. 

Die Ankündigung der Sorbonne ist daher nicht nur eine budgetäre Täuschung. Sie ist auch irreführend, wenn sie von "akademischer Freiheit" spricht. Zwar würde diese nicht durch ideologische Kriterien aus den USA eingeschränkt, aber sie würde unter einer mindestens ebenso schädlichen Zwangsmaßnahme leiden: der Unterordnung der Wissenschaft unter die "Wettbewerbsfähigkeit". 

So lobte Ursula von der Leyen die "unvergleichliche Rendite der Wissenschaft", bedauerte aber, dass der "Übergang von der Grundlagenforschung zur Wirtschaft und zum Markt" nicht schnell genug voranschreite. Kurz gesagt: Es lebe die akademische Freiheit, solange sie den Unternehmen, vor allem den Großkonzernen, schnell zugutekommt. Und das zudem im Rahmen der Rivalität zwischen geopolitischen Blöcken – was die Prahlereien gegenüber Donald Trump erklärt. 

Hinter den edlen Zielen, die an der Sorbonne inszeniert wurden, verbirgt sich also die Realität der Interessen und Rivalitäten. Und Pech für die Masse der Forscher, die zu Recht wünschen, dass ihre Arbeit einfach dem Fortschritt der Menschheit dient.

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