
Neue Front: So endeten die Verhandlungen in Istanbul

Von Dawid Narmanija
Die Konfrontation zwischen Russland und der Ukraine auf diplomatischem Feld entwickelte sich diese Woche nicht weniger dynamisch als auf dem Schlachtfeld. Die von Putin vorgeschlagenen direkten Verhandlungen waren für die Vertreter der Bankowa (Straße in Kiew, wo sich der Sitz des ukrainischen Präsidenten befindet; Anm. d. Red.) offensichtlich eine Überrumpelung. Zunächst versuchten sie, auf die Diplomatie zu verzichten, doch nach entsprechenden Signalen aus dem Westen wurde ihnen klar, dass sich die ohnehin schwierige Situation dadurch noch verschlimmern könnte. Man musste sich drehen und wenden: Selenskij schlug dem russischen Präsidenten ein persönliches Treffen vor und forderte einen 30-tägigen Waffenstillstand.

Auch die europäische "Artillerie" sprang in die Bresche. Frankreich und Deutschland stellten ein Ultimatum – entweder ein Waffenstillstand, oder ... Und nun ergaben sich die Fragen: Was passiert, wenn keine Feuerpause erreicht wird? Sollte man dann ein weiteres, 17. Sanktionspaket verhängen? Nun, seine laufende Nummer verrät viel über die Effizienz solcher Maßnahmen. Doch Paris und Berlin setzten die Eskalation fort, und am Montagnachmittag wurden die ersten Erklärungen abgegeben: Moskau habe noch Zeit bis zum Tagesende.
Die Zeit verging. Erst verging der Abend, dann der Morgen. Das Ultimatum wurde um einen weiteren Tag verlängert. Die Frist lief ab – und nichts geschah. Von Europa wurde zwar immer noch ein Waffenstillstand gefordert (obwohl die drei vorangegangenen Initiativen von der Ukraine vereitelt wurden), aber nicht mehr so eifrig. Es wurde deutlich, dass der Kreml diese Drohungen einfach ignorierte, und die Europäer hatten auf dieses Missachten nichts zu erwidern. Am Ende der Woche geriet das Ultimatum einfach in Vergessenheit, so, als hätte es nie eines gegeben.
Bis zum Donnerstag hielt die westliche Presse die Spannung aufrecht, ob Putin zu einem persönlichen Treffen mit Selenskij erscheinen würde. Auch Trump trug dazu bei, indem er sagte, er könne selbst nach Istanbul fliegen, um sich mit dem russischen Staatschef zu treffen. Später erklärte er jedoch, er habe etwas anderes gemeint: "Putin wäre gekommen, wenn ich da gewesen wäre. Aber ich war nicht da – wieso hätte er da sein sollen? " Und wie die weiteren Ereignisse zeigten, hatte er damit recht – denn ohne ein Treffen mit Trump gab es für den russischen Präsidenten dort wirklich nichts zu tun.
Doch der Donnerstagstermin rückte näher. Selenskij flog nach Ankara, wo er angeblich auf den russischen Staatschef wartete. Wie sich herausstellte, ohne Erfolg, und so kehrte Selenskij zurück, um sich um seine "Selenskij-Angelegenheiten" zu kümmern.
Die russische Delegation musste mehr als einen Tag lang auf ihr ukrainisches Visavis warten. Angeblich wurde in Kiew bis zum Abend überlegt, ob es sich lohne, an den Verhandlungen teilzunehmen, zumal die Ukrainer demonstrativ in ihre Schranken gewiesen wurden. Und doch wurde ein Team von Unterhändlern gebildet.
Und schon am Freitag fand das Treffen statt. Kaum ein Ereignis in Russland wäre mit so großer Aufmerksamkeit verfolgt worden. Und Medinskij und seinen Kollegen scheint das Unmögliche gelungen zu sein – sowohl die "Kriegsfalken" als auch die "Friedenstauben" sind mit den Ergebnissen zufrieden.
Kaum schlossen sich die Türen des Verhandlungsraums hinter den Verhandlungsteilnehmern, wurden in westlichen Medien erste Insiderinformationen über die von Moskau gestellten Forderungen und vorgebrachten Argumente verbreitet. Die viel Aufmerksamkeit erregende Formulierung über die Anzahl der Regionen, über die Russland und die Ukraine verhandeln werden, wurde vom Leiter der russischen Delegation nicht offiziell bestätigt. Nach den Verhandlungen wies er in einem Interview mit Jewgeni Popow lediglich darauf hin, dass sich die Bedingungen für die Ukraine verschlechtern, je länger die Verhandlungen andauern.
Und dies stellt für Kiew eine bittere Realität dar.
Andererseits wurden auch ernst zu nehmende Ergebnisse erzielt: Es wurde der größte Kriegsgefangenenaustausch des gesamten Krieges angekündigt, der die Heimkehr von tausend russischen Kämpfern und tausend Soldaten der ukrainischen Streitkräfte ermöglichen wird.
Genauso wichtig ist die Bereitschaft der Parteien, die Verhandlungen fortzusetzen. Damit erhält der Konflikt eine neue – diplomatische – Dimension, was genau drei Jahre lang nicht der Fall war. Siege auf dieser diplomatischen Ebene werden Tausenden von russischen Soldaten das Leben retten. Und ebenso Tausenden von ukrainischen Soldaten.
Nun, wenn man die vorliegenden Ergebnisse betrachtet, endete die erste Verhandlungskonfrontation nach einer langen Pause mit einem Sieg für Russland. Besonders aussagekräftig sind in diesem Zusammenhang die Äußerungen der Europäer, die das Ergebnis dieses Treffens als inakzeptabel bezeichnen. Aber, Moment mal, niemand verhandelt mit den Europäern, und die Verhandlungsergebnisse hängen sicher nicht von den Meinungen von Macron und Starmer ab. Paris und London werden sich damit abfinden müssen.
Was das Zitat über die Russen angeht, die sich das zurückholen, was ihnen gehöre, so ist es nicht so wichtig, ob Bismarck es tatsächlich so formulierte oder nicht. Wichtig ist, dass Medinskij es zum Ausdruck brachte. Nehmen wir an, es sei nun sein eigenes Zitat.
Denn viel wichtiger ist, dass die Russen jetzt wirklich zurückkommen, um sich das zu holen, was ihnen gehört.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 17. Mai 2025 zuerst bei RIA Nowosti erschienen.
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