Nordamerika

Indiz für baldigen Ausbruch? Magmareservoir des Yellowstone enthält viel mehr Magma als angenommen

Das Magmareservoir des Yellowstone-Supervulkans enthält mehr flüssiges Gestein als bisher angenommen. Das geht aus einer Untersuchung der University of Illinois hervor. Ein Eruptionsereignis könnte somit kurz bevorstehen. Eine große Eruption des Yellowstone schließen die Forscher aber dennoch aus.
Indiz für baldigen Ausbruch? Magmareservoir des Yellowstone enthält viel mehr Magma als angenommenQuelle: www.globallookpress.com © Moritz Wolf

Der Yellowstone-Supervulkan im Nordwesten Wyomings ist nicht nur einer der faszinierendsten Orte der Welt, sondern dank des Magmareservoirs, das sich unter ihm befindet, möglicherweise auch einer der brisantesten. Eine neue Studie eines internationalen Forscherteams hat nämlich ergeben, dass das Magmareservoir des Supervulkans tatsächlich fast doppelt so viel geschmolzenes Gestein enthält als bisher angenommen. Anhand der Menge des geschmolzenen Gesteins können Forscher feststellen, wie nahe der Ausbruch des Vulkans ist. Grund zur Panik besteht dennoch nicht: Die Forschungsergebnisse zeigen, dass der zusätzliche Inhalt – obwohl er signifikant ist – eine bevorstehende Mega-Eruption nicht wahrscheinlicher macht.

Der Yellowstone ist ein sogenannter Supervulkan. Diese unterscheiden sich von gewöhnlichen Vulkanen durch die enorme Größe ihrer Magmakammer oder das Volumen des Auswurfs bei einem Ausbruch (mindestens 1.000 Kubikkilometer). Die Energie, die dann frei wird, entspricht der eines Asteroideneinschlags. Nachdem das Material ausgeworfen ist, sinkt die leere Magmakammer ein und es entstehen gigantische Calderen (jene des Yellowstone-Supervulkans ist so groß wie Korsika). In den letzten 2,1 Millionen Jahren ist der Yellowstone mehrfach ausgebrochen, darunter gab es drei gewaltige Eruptionen, die ganz Nordamerika mit Asche bedeckten. Auch kam es zu einer Reihe kleinerer Eruptionen, bei denen Lava in die Caldera floss, zuletzt vor rund 70.000 Jahren. Die Yellowstone-Caldera, die sich über eine Fläche von rund 3.999 Quadratkilometern erstreckt, entstand bei einem der drei großen Ausbrüche vor rund 631.000 Jahren. 

Ausbrüche von Supervulkanen werden allgemein mit massiven Artensterben in Verbindung gebracht. Auch die Menschheit soll bei einem dieser Mega-Ausbrüche laut einer umstrittenen Theorie schon einmal beinahe ausgestorben sein. Aufgrund seines zerstörerischen Potenzials beobachten Forscher deshalb auch genauestens jede auch nur ach so kleine Veränderung des Vulkans, die auf einen bevorstehenden Ausbruch hindeuten könnte – wie etwa Bodenverformungen oder Erdbeben. Unter der Leitung des Geologen Ross Maguire von der University of Illinois wurde nun untersucht, wie viel Magma in den Reservoirs enthalten ist und wie sich diese genau zusammensetzt. Die Studie, die letzte Woche in der Zeitschrift Science veröffentlicht wurde, könnte dazu beitragen, künftig bessere Vorhersagen zu möglichen Ausbrüchen treffen zu können.

Unter dem Yellowstone gibt es zwei große Reservoirs voller Magma: eines in der Nähe des Erdmantels und ein anderes einige Kilometer unter der Erdoberfläche. Die Reservoirs, die früher lediglich als "große Tanks" mit Magma betrachtet wurden, enthalten einen komplexen "Kristallbrei" aus geschmolzenem Gestein und Kristallen, erklärte Maguire bei der Vorstellung der Forschungsergebnisse. Magma besteht aus Gesteinen und Kristallen in verschiedenen Stadien der Festigkeit. Die Zusammensetzung dieses Materials bestimmt zum Teil die Wahrscheinlichkeit eines Vulkanausbruchs: Je höher das Verhältnis von geschmolzenem Gestein zu festen Kristallen ist, desto wahrscheinlicher ist eine Mobilisierung des Magmas.

Aufgrund früherer Forschungen gingen die Wissenschaftler davon aus, dass das flachere Reservoir überwiegend fest ist und nur rund neun Prozent geschmolzenes Gestein enthält. Eine Annahme, die Maguire und sein Team nun jedoch widerlegten. Dafür analysierten sie erneut sämtliche seismische Daten, die in den letzten 20 Jahren rund um den Yellowstone aufgezeichnet wurden. Seismische Wellen, die von Erdbeben erzeugt werden, müssen sich durch Materialschichten im Erdinneren bewegen, bevor sie Seismometer an der Oberfläche erreichen. Die Wellen verlangsamen sich, wenn sie geschmolzenes Gestein erreichen. Die Forscher um Maguire analysierten die Zeit, die sie brauchen, um die Seismometer zu erreichen, um Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie viel Magma sich unter dem Yellowstone befindet.

Bisherige Analysen gingen davon aus, dass sich seismische Wellen linear vom Beben zum Seismometer ausbreiten. Doch in Wirklichkeit ist ihre Reise viel differenzierter. Diesmal wurden die seismischen Wellen mithilfe von Supercomputern dreidimensional modelliert, was den Wissenschaftlern ein vollständigeres Bild des Reservoirs unter dem Yellowstone ermöglichte, wie aus der Studie hervorgeht. Da die durch die geologische Verwerfung verursachten seismischen Wellen während der zahlreichen Messungen der letzten Jahrzehnte zumeist recht lange brauchten, um die Seismometer an der Erdoberfläche zu erreichen, gehen Maguire und sein Team nun davon aus, dass der Anteil des geschmolzenen Gesteins in dem Reservoir tatsächlich 16 bis 20 Prozent beträgt.

Dies deutet darauf hin, dass das Reservoir etwa 1.600 Kubikkilometer geschmolzenes Gestein enthält, also fast doppelt so viel wie die bisherige Schätzung von etwa 900 Kubikkilometern. Selbst am oberen Ende der Schätzung liegt der Anteil des geschmolzenen Gesteins laut Maguire immer noch weit unter dem für eine Eruption erforderlichen Schwellenwert von 35 bis 50 Prozent. Das ist immer noch weit unter dem Schwellenwert von flüssigem Magma – etwa 35 bis 50 Prozent –, von dem Wissenschaftler glauben, dass er einen Ausbruch auslösen wird. 

"Obwohl unsere Ergebnisse darauf hindeuten, dass das Magmareservoir des Yellowstone beträchtliche Schmelzen in Tiefen enthält, die frühere Eruptionen ausgelöst haben, bestätigt unsere Studie nicht das Vorhandensein eines eruptierbaren Körpers oder lässt auf einen zukünftigen Ausbruch schließen", schreiben die Wissenschaftler in der Studie. Auch wenn die Ergebnisse nicht darauf hindeuten, dass ein großer Ausbruch nun wahrscheinlicher ist als bisher angenommen, fordern die Wissenschaftler dennoch eine fortgesetzte Überwachung des Untergrunds des Supervulkans, da sie ein klares Bild liefern könnte, falls sich die Situation dramatisch ändern sollte.

Denn die Geologen schließen nicht aus, dass es mittelfristig zumindest zu kleineren Ausbrüchen des Vulkans kommen könnte. So könnte die angesammelte Magma den Schätzungen des Forschungsteams zufolge immerhin für eine Eruption ähnlich der vor 70.000 Jahren sorgen. Damals entstanden 17 Lavaströme mit einem Volumen von fünf bis 50 Kubikkilometern. Der Yellowstone-Nationalpark ist eine der größten Touristenattraktionen in den Vereinigten Staaten und zieht jedes Jahr Millionen von Besuchern an. Einen Großteil seiner vielfältigen Schönheit verdankt er seiner ungestümen Vergangenheit. Sowohl der Old-Faithful-Geysir als auch der Grand Prismatic Spring sind Resultate der geothermischen Aktivität des Supervulkans.

Doch die weltberühmten Geysire, Tausende leichte Erdbeben pro Jahr und eine Hebung der Yellowstone-Caldera belegen, dass der unter dem Park schlummernde Supervulkan nicht erloschen ist, sondern nur ruht. Ein baldiger gewaltiger Ausbruch des zu einem der größten Vulkane der Erde zählenden Monstrums ist in naher Zukunft allerdings nicht zu erwarten. Die US-Erdbebenwarte US Geological Survey jedenfalls schätzt die jährliche Chance für einen weiteren gewaltigen Ausbruch des Yellowstone auf etwa 1:730.000. Somit ist die Wahrscheinlichkeit eines Ausbruchs etwa genauso hoch wie die Chance eines katastrophalen Zusammenstoßes der Erde mit einem Asteroiden.

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