Russland

Interview mit Lawrow: Ziele der Sonderoperation, Druck des Westens und "Endlösung der Russenfrage"

Der russische Außenminister Sergei Lawrow wurde von RIA Nowosti und Rossija 24 interviewt. Er sprach über den Zweck der russischen Sonderoperation in der Ukraine, den Krieg mit der NATO, die Versuche des Westens zur "Endlösung der Russenfrage" und vieles mehr.
Interview mit Lawrow: Ziele der Sonderoperation, Druck des Westens und "Endlösung der Russenfrage"Quelle: Sputnik © Grigori Syssojew

Über Ziele der Sonderoperation

Russlands Ziel bei der speziellen Militäroperation in der Ukraine sei es, "die wichtigsten Aufgaben zu lösen, nämlich unsere Unabhängigkeit zu sichern, die Interessen unserer Kultur zu wahren und die Menschen zu schützen, die Teil der russischen Kultur sein wollen", sagte der russische Außenminister Sergei Lawrow in einem Interview mit der Nachrichtenagentur RIA Nowosti und dem Fernsehsender Rossija 24. Er erklärte:

"Wir alle wollen, dass dies ein Ende hat, aber es ist nicht der Zeitfaktor, der hier wichtig ist, sondern der Substanzfaktor, der Qualitätsfaktor der Ergebnisse, die wir für unser Volk bereitstellen, für die Menschen, die Teil der russischen Kultur bleiben wollen und denen von der Kiewer Junta mit Unterstützung des Westens jahrelang alles Russische vorenthalten wurde."

In der Sonderoperation versuche Moskau, die ukrainischen Truppen in eine für das russische Territorium sichere Entfernung zurückzudrängen, einschließlich neuer Gebiete, nämlich der LVR, der DVR, die Gebiete Saporoschje und Cherson, erklärte der Diplomat. Je mehr Langstreckenwaffen der Westen an das Kiewer Regime liefere, desto weiter von den russischen Grenzen entfernt müsse das ukrainische Militär zurückgehalten werden. Der Minister sagte:

"Die gesamte NATO befindet sich im Krieg gegen uns, und da sind einige Reden und Beschwörungen, dass 'wir uns nicht im Krieg befinden, sondern nur aufrüsten', lächerlich."

Nach Ansicht des russischen Außenministers wächst die Eskalation des Konflikts wie ein Schneeball – "alles begann mit der Lieferung von Helmen für die ukrainischen Soldaten, dann kamen Handfeuerwaffen hinzu, und jetzt wird bereits mit voller Wucht über Flugzeuge gesprochen". Lawrow bemerkte:

"Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz schwört, dass dies [die Flugzeuglieferungen] niemals passieren wird, aber Scholz ist auch dafür bekannt, dass er seine Position sehr schnell ändern kann."

Bestätigend wies der Leiter der russischen diplomatischen Vertretung auf die Heuchelei und Inkonsequenz der deutschen Politik hin. Er sagte:

"Da ist er [Scholz] bei weitem nicht allein. Hier sagte er, dass die NATO niemals gegen Russland in den Krieg ziehen würde, und seine Außenministerin [Annalena] Baerbock sagte: 'Wir befinden uns bereits im Krieg gegen Russland'."

Lawrow wies auch darauf hin, dass es laut Experten nicht möglich sei, in zwei oder drei Monaten zu lernen, einige der Waffen zu benutzen, die die Ukraine bereits von den NATO-Ländern erhalten habe oder erhalten werde. Folglich bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass mit diesen Systemen auch ausländische Kämpfer in den Reihen der ukrainischen Streitkräfte agieren, die sich von ihren Armeen haben beurlauben und als Söldner haben registrieren lassen.

Über Gründe der Sonderoperation

Die militärische Sonderoperation in der Ukraine sei unvermeidlich und ihre Gründe und Ziele seien von Präsident Wladimir Putin ausführlich erläutert worden, erinnerte der russische Außenminister. Lawrow erklärte:

"Putin erläuterte sehr ausführlich die Ziele, die Gründe und die Unvermeidbarkeit unserer speziellen Militäroperation. Und er hat es nicht plötzlich getan, sondern nach acht Jahren, sogar mehr als acht Jahren, beginnend mit der Münchner Rede 2007, nach vielen, vielen Jahren, in denen er dem Westen erklärt hatte, dass der Westen in die falsche Richtung steuert und alles untergräbt, wozu er sich selbst verpflichtet hat, einschließlich der Unteilbarkeit der Sicherheit in Europa."

Gleichzeitig basiere das Kiewer Regime auf der Nazi-Ideologie, aber viele westliche Politiker weigern sich, dies zu bemerken, so der russische Diplomatenchef weiter. Alle Erklärungen seiner Bewunderer und Puppenspieler seien ein Versuch, die "Russenfrage" endlich zu lösen. Im Westen werden Naziregime unterstützt und gefördert, und es werde regelmäßig dazu aufgerufen, Russland eine strategische Niederlage beizubringen, damit es sich "für lange Zeit nicht mehr erheben kann". Diesbezüglich fragte Lawrow:

"Ursula von der Leyen hat gesagt, dass das Ergebnis des Krieges eine Niederlage für Russland sein sollte, und zwar eine solche, dass es für Jahrzehnte, lange Jahrzehnte nicht in der Lage sein wird, seine Wirtschaft wieder aufzubauen. Ist das nicht rassistisch, ist das nicht nazistisch?"

Anschließend fügte der Außenminister hinzu:

"Als ich die Ideologen von Hitler-Deutschland zitiert hatte, die sich mit der "Endlösung der Judenfrage" beschäftigten, sagte ich, dass sich auch jetzt ganz Europa, angeführt von den USA, gegen uns versammelt und verschiedene Slogans verkündet, aber der Sinn ist derselbe – zu Lebzeiten der jetzigen Generation die "Russenfrage" endgültig zu lösen. Ja, wenn auch nicht mit Gaskammern, aber sie wollen, dass Russland als Großmacht aufhört zu existieren, dass es an den Rand gedrängt wird, dass die Wirtschaft zerstört wird."

Über "Weigerung" der Verhandlungen mit Kiew

Lawrow betonte, dass die russischen Diplomaten jetzt viel zu tun hätten – sie müssten regelmäßig klären, was vor sich gehe. Außerdem müssten sie ständig Lügen entlarven, insbesondere über Russlands Weigerung zu verhandeln.

Der Außenminister erinnerte daran, dass die westlichen Länder den ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij im März gezwungen haben, Verhandlungen abzulehnen, obwohl von Anfang an die Möglichkeit bestand, die Situation auf politischem Wege zu lösen. Seitdem werde das Kiewer Regime zur Fortsetzung der Militäraktionen gedrängt und ständig aufgefordert, auf dem Schlachtfeld zu siegen.

Über das US-amerikanische Konzept der Einzigkeit

Die Ursprünge der Konfrontation mit dem Westen sollten nicht in bestimmten Ereignissen, sondern in US-amerikanischen Ideen und Konzepten gesucht werden. Lawrow erinnerte:

"Ich würde vorschlagen, sich der Ära Barack Obamas zuzuwenden und seine Erklärungen zur US-amerikanischen Einzigkeit zu lesen. Und Joe Biden hat diese Idee immer wieder propagiert. Blinken sagte, dass die US-Amerikaner verpflichtet seien, ihre außergewöhnliche Chance zur Führung wahrzunehmen. Sehr 'bescheiden'."

Das bedeute, dass allen anderen, außer den US-Amerikanern, das Recht verweigert werde, sich an ihre Geschichte zu erinnern, erklärte der Minister. Er ging auch auf die Haltung der USA gegenüber ihren Partnern ein: Die US-Amerikaner forderten zwar etwas für sich, böten aber keine Gegenleistung, sondern drohten nur mit Strafe. Der russische Außenminister zeigte sich zuversichtlich:

"Diese Einzigkeit, diese absolute Überzeugung von der eigenen Unfehlbarkeit und Überlegenheit ist meiner Überzeugung nach der Hauptgrund dafür, dass wir uns jetzt mit den Ländern auseinandersetzen, die über das Kiewer Regime einen hybriden Krieg gegen uns führen."

Ebenso wies Lawrow darauf hin:

"Die Vereinigten Staaten und alle Westler, die sich den USA unterworfen haben, verstehen unter Demokratie das Recht, ihr Verständnis von Demokratie durchzusetzen."

Russland, so stellte der Minister klar, vertrete jedoch ein anderes Verständnis von Unabhängigkeit, das insbesondere in UN-Dokumenten verankert sei.

Moskau bereite sich auch auf die zahlreichen Fälschungen vor, die von westlichen Politikern zum Jahrestag des Beginns der militärischen Sonderoperation (24. Februar) vorbereitet wurden. Lawrow erklärte, dass Russland der Welt etwas über die Verbrechen der USA gegen die Welt, Europa und die Ukrainer zu sagen habe. Er sagte:

"Es geht nicht nur um die militärischen und biologischen Programme der US-Amerikaner in der Ukraine, sondern auch um die direkte Beteiligung der USA an den Sprengungen der Nord-Streams."

Über Länder, die sich anschicken, "Neue Ukraine" zu werden

Lawrow sprach auch über die Pläne des Westens, die Länder zu bilden, die die "Neue Ukraine" werden sollen. Er sagte, dass der Westen vorrangig auf Moldawien setze – die Präsidentin des Landes, Maia Sandu, sei "begierig darauf, der NATO beizutreten" und sie sei bereit für die Vereinigung Moldawiens mit Rumänien. Lawrow erklärte:

"Moldawien wird für diese Rolle ins Auge gefasst, weil er [der Westen] eine Präsidentin an die Spitze setzen konnte, die unbedingt der NATO beitreten möchte. Die Tatsache, dass parallel dazu die Arbeit im 5+2-Format (zur Beilegung des Transnistrien-Konflikts) sabotiert wurde, zeigt den Wunsch der USA und Europas, eine "zweite Ukraine" zu schaffen."

Der Westen versuche dies auch in Bezug auf Georgien, um es zu einem "Anti-Russland" zu machen. Lawrow sagte:

"Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie Georgien in ein weiteres Ärgernis verwandeln wollen, die Situation in jene Zeiten der Aggression zurückbringen wollen."

Gleichzeitig würdigte der Minister die Tatsache, dass sich die georgische Regierung angesichts des beispiellosen Drucks des Westens weiterhin von ihren nationalen Interessen leiten lasse.

Außerdem sei die Lage in Zentralasien auch nicht einfach. Lawrow erläuterte:

"Wir diskutieren ganz offen mit unseren Freunden. Sie können sehen, wie aktiv westliche Kollegen seit mehr als einem Jahr pro-amerikanische, pro-europäische und pro-NATO-Non-Profit-Organisationen fördern. Mit den Mitteln der Soft Power versuchen sie, unsere Beziehungen zu einigen zentralasiatischen Ländern in Frage zu stellen."

Er fügte hinzu, dass die Anstrengungen der USA und der EU keine positive Reaktion in der Region hervorriefen. Der Minister stellte dazu klar:

"Aber es wird gegen Russland gearbeitet, wo der Westen im postsowjetischen Raum präsent ist."

Über die Beziehungen mit China

In Bezug auf die Beziehungen zu China betonte der russische Außenminister, dass die beiden Länder kein Militärbündnis bildeten, aber die Interaktion zwischen Moskau und Peking qualitativ viel höher als bei Militärbündnissen im klassischen Sinne sei, so Lawrow.

"Sie [die Beziehungen] haben keine Beschränkungen oder Grenzen, und es gibt keine Tabuthemen. Sie sind wirklich die besten in all den Jahren des Bestehens der Sowjetunion, der VR China und der Russischen Föderation."

Gleichzeitig versuchten die USA, die Interaktion zwischen den beiden Ländern zu behindern. In internationalen Handels- und Finanzorganisationen stellten sich die US-Amerikaner aktiv gegen China. Aber jetzt könnten die BRICS-Länder so viele Anteile und Stimmen für sich beanspruchen, dass sie der Vorherrschaft der USA ein Ende bereiten werden, so der Minister abschließend. Der russische Außenminister fügte hinzu:

"China wird unweigerlich damit beginnen, seine Abhängigkeit zu verringern, aber es wird mehr Zeit brauchen, um parallele Instrumente zur Verteidigung gegen die US-Willkür zu schaffen."

Über Frieden

Auf die Frage, ob er für den Frieden sei, betonte Lawrow, dass dies eindeutig der Fall sei. Er wies jedoch darauf hin, dass er den Gedanken "Wenn du Frieden willst, bereite dich auf den Krieg vor" nicht teile. Nach Ansicht des Diplomaten stehe er der Idee näher, die wie folgt formuliert werden kann:

"Wenn du Frieden willst – sei bereit, dich zu verteidigen."

Lawrow kam zu dem Schluss, dass Russland aus der aktuellen geopolitischen Situation gestärkt hervorgehen und in der Lage sein werde, noch wirksamer für sich selbst einzutreten.

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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.