Putin kontert "Junge-Welt"-Chefredakteur ‒ "Würden Sie sich um die Causa Chrupalla kümmern?"
Bei der abschließenden Diskussion des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf dem diesjährigen Waldai-Forum kam es zu einem bemerkenswerten Gespräch zwischen ihm und einem deutschen Journalisten. "Ich komme aus Deutschland und ich heiße Stefan Huth", stellte sich der Chefredakteur der linken Zeitung Junge Welt vor. Seine Frage an Putin ähnelte einem kleinen Referat, in dem er den russischen Präsidenten auf einen angeblichen Widerspruch hinwies: das erklärte Ziel Russlands in der Ukraine, den Nazismus militärisch zu bekämpfen, und die Kontakte der russischen Regierung zur AfD.
Die Partei sei im Grunde genommen rassistisch und habe kein Mitgefühl gegenüber dem russischen Volk, das in einem multinationalen Staat lebt. "Ich will verstehen, worauf hoffen Sie, worauf hofft Ihre Regierung bei den Kontakten zu anderen Parteien dieser Art?", fragte Huth. "Sind Sie sich dessen bewusst, dass europäische antifaschistische Kräfte die russische Politik (in der Ukraine) und die russischen Handlungen nicht unterstützen?"
Doch bevor Putin darauf eine Antwort geben konnte, fragte er zweimal beim Journalisten nach und bat um Belege für die profaschistische Haltung der AfD. Huth erinnerte an ein Treffen des AfD-Parteivorsitzenden Tino Chrupalla mit Sergei Lawrow im Jahre 2020 und als Beleg für die Nähe zum Nazismus wies er auf Björn Höcke hin. Dieser sei im profaschistischen Milieu verwurzelt und besuchte zusammen mit Rechtsradikalen Gedenkveranstaltungen am 13. Februar, dem Jahrestag des britischen Bombardements Dresdens.
Putin hob zunächst positiv hervor, dass der Journalist selbst Russlands Ziele in der Ukraine erwähnt hätte, nämlich die Entnazifizierung des ukrainischen politischen Systems. Dann griff er argumentativ den bereits allseits bekannten Skandal im kanadischen Parlament auf:
"Der ukrainische Präsident stand da und klatschte einem Nazi Beifall, der Juden, Polen und Russen ermordet hatte. Ist dies kein Merkmal davon, dass sich in der Ukraine ein System herausgebildet hat, das wir mit allem Recht als pronazistisch bezeichnen können?"
Er betonte, dass Jaroslaw Hunka, dem Beifall gewidmet wurde, nicht irgendein Anhänger des Nazismus, sondern ein realer Nazi gewesen sei, ein ehemaliger SS-Soldat. "Und gibt uns das nicht etwa das Recht, von Entnazifizierung zu sprechen?", erwiderte er dann und gab darauf eine mögliche Antwort des Journalisten, dass dies nur ein Staatsoberhaupt sei, aber nicht das ganze Land. "Dazu sage ich, Sie haben diejenigen erwähnt, die mit profaschistischen Elementen demonstriert haben. Ist es etwa die gesamte Partei, die an solchen Demos teilnimmt? Bestimmt nicht", polemisierte Putin und gab anschließend zu verstehen, dass Russland "alles, was pronazistisch und profaschistisch" sei, entschlossen verurteile. Dann zeigte er sich diplomatisch:
"Alles, was diese Merkmale nicht enthält, und im Gegenteil, was darauf ausgerichtet ist, Kontakte mit uns zu pflegen, wird von uns unterstützt."
Zum Schluss seiner ausführlichen Antwort ging Putin auf den mutmaßlichen Anschlag auf Tino Chrupalla ein. Er wurde wieder polemisch:
"So weit ich weiß, gab es einen Anschlag auf einen Spitzenpolitiker der AfD in Deutschland. Gerade jetzt, während des Wahlkampfes. Bedeutet das, dass Vertreter dieser Partei zu nazistischen Methoden greifen? Oder dass diese gegen die AfD angewendet werden? Das ist die große Frage, die auf ihren Forscher wartet."
In diesem Moment wandte sich Putin beiläufig wieder an den Fragesteller: "Vielleicht können Sie sich darum kümmern oder die breite Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland." Das sagte er ganz sichtbar mit Nachdruck. Zum Schluss betonte das russische Staatsoberhaupt noch einmal, wie wichtig Russland Kontakte zu denjenigen Kräften in Deutschland seien, die am Wiederaufbau der Beziehungen interessiert sind:
"Alles, was an Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der Kontakte zu uns gerichtet ist, wird von uns unterstützt. Und das kann das Licht am Ende des Tunnels unserer heutigen Beziehungen bringen."
Später kehrte die Frage des Junge-Welt-Chefredakteurs indirekt aufs Podium zurück, als der Moderator Putin über seine Meinung zur Ausgrenzung Gerhard Schröders bei den Feierlichkeiten am Tag der Deutschen Einheit befragte. Putin sagte, dass die Zahl seiner Freunde in Deutschland immer mehr wächst. "Wächst sie nicht durch solche, über die Stefan (Huth) sprach?", fragte der Moderator Fjodor Lukjanow nach.
"Es spielt keine Rolle. Sie wächst durch solche Menschen, die die Interessen ihres eigenen Volkes verfolgen und nicht fremde Interessen bedienen wollen",
sagte Putin.
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