Russland

Westliche Unternehmen haben immer weniger Bedenken gegenüber Russland

Vor unseren Augen nimmt der Isolationstrend gegenüber Russland immer mehr ab. Westliche Unternehmen bekunden bereits offiziell ihre Absicht, auf den russischen Markt zurückzukehren, und einige von ihnen ergreifen sogar Maßnahmen, um dies zu realisieren. So nahm LG Electronics sein Moskauer Werk probeweise wieder in Betrieb.
Westliche Unternehmen haben immer weniger Bedenken gegenüber RusslandQuelle: www.globallookpress.com © Shatokhina Natalia/news.ru

Von Olga Samofalowa

Noch vor einem Monat – als die ersten Kontakte zwischen den USA und Russland gerade begonnen hatten tauchten in den Medien die ersten Berichte über die Absicht einiger Unternehmen auf, auf den russischen Markt zurückzukehren. Dabei beriefen sie sich auf entsprechende Informationsquellen in diesen Unternehmen, während die Geschäftswelt selbst versuchte, sich zu diesem sensiblen Thema nicht zu äußern. Doch jetzt häufen sich auch die offiziellen Ankündigungen westlicher Unternehmen, dass sie ihr Russlandgeschäft wieder aufnehmen wollen.

Das südkoreanische Unternehmen LG Electronics teilte mit, dass es sein Moskauer Produktionswerk für Waschmaschinen und Kühlschränke probeweise wieder in Betrieb genommen habe. Wie ein Unternehmensvertreter dabei erklärte, habe sich im Gegensatz zu Hyundai die Frage des Verkaufs der russischen Niederlassung des Unternehmens nicht gestellt. Nach dem Beginn des Ukraine-Konflikts sei die Produktion in Russland eingestellt worden, aber als es erste Signale für ein eventuelles Konfliktende gegeben habe, habe sich das Unternehmen Sorgen um die Korrosionsschäden an den lokalen Produktionsanlagen gemacht, sodass man beschlossen habe, die Produktion probeweise wieder aufzunehmen.

Ihm zufolge hänge die Entscheidung über den weiteren Betrieb der russischen LG-Niederlassung nicht nur von der Position des Unternehmens ab, sondern auch von zwischenstaatlichen Vereinbarungen zwischen Südkorea und Russland. Daher nehme das Unternehmen eine abwartende Haltung ein.

Auch der Automobilkonzern Hyundai macht aus seinen Plänen, nach Russland zurückzukehren, keinen Hehl.

Auf dem FT Commodities Summit in der Schweiz äußerten auch die Chefs der internationalen Energiehändler Vitol, Trafigura, Gunvor und Mercuria Energy Trading ihren Wunsch, nach Russland zurückzukehren. Bis 2022 betrieben sie den Handel mit russischem Öl – und würden dies gerne wieder tun, sollten die Sanktionen aufgehoben werden. Doch nach Meinung von Richard Holtham, Chef des internationalen Händlers Trafigura, reiche die Aufhebung der US-Sanktionen allein nicht aus, da das Unternehmen viele Briten beschäftigt. Und auch der CEO von Vitol, Russell Hardy, meint, dass die Rückkehr ein oder zwei Jahre dauern kann, obwohl er nicht ausschließe, dass er damit falsch liege und alles viel schneller passieren könne. Gleichzeitig befürchten internationale Händler, dass Russland ihre Dienste nicht mehr benötigt und nicht zum Status quo zurückkehren will, wie es vor der speziellen Militäroperation in der Ukraine der Fall war.

Was die Situation auf dem Haushaltsgerätemarkt angeht, so erholte sich der Markt nach einem Verkaufsrückgang in den Jahren 2022 bis 2023 und verzeichnete 2024 ein Wachstum. Das Problem wurde unter anderem dank der Einführung von Parallelimporten gelöst.

Maxim Maximow, Dozent am Lehrstuhl für Innovations- und Industriepolitikmanagement an der Russischen Plechanow-Wirtschaftsuniversität, erklärt:

"Auf dem Haushaltsgerätemarkt gibt es keine signifikanten Defizite oder Systemprobleme. Praktisch die gesamte für die Schaffung eines komfortablen Lebensumfelds für russische Familien erforderliche Produktpalette steht zur Verfügung, auch wenn sie jetzt von Marken[-unternehmen] angeboten wird, die vor der Sanktionswelle fast niemand kannte."

Seinen Angaben zufolge kontrollieren russische Unternehmen heute über 50 Prozent der im Einzelhandel vertretenen Marken in mehr oder weniger großem Umfang. Die bedeutendsten sind dabei Weissgauff, Polaris, Scarlett und Kitfort.

Maximow bemerkt:

"Im Segment der Haushaltsgroßgeräte hat Weissgauff im Jahr 2024 mit einem Anteil von fast einem Fünftel des Gesamtmarktes die Führungsposition an sich gerissen, und im Segment der Kleingeräte nimmt Polaris mit einem Anteil von 14 Prozent den ersten Platz ein. Den Schätzungen der Fachquellen zufolge haben die russischen Hersteller mehr als zwei Millionen Haushaltsgeräte exportiert. Die Hauptabnehmer sind neben den GUS-Ländern Iran, die Türkei, Indien und afrikanische Länder."

Ihm zufolge wird das Luxussegment von Haushaltsgeräten natürlich immer noch über Parallelimporte eingeführt, was die Kosten erhöht und den Service erschwert, aber dies sei nicht kritisch.

Was die internationalen Öl- und Gashändler betrifft, so sind sie nicht umsonst besorgt, dass Russland ihre Dienste möglicherweise nicht mehr benötige.

So meint Igor Juschkow, Experte der Finanzuniversität bei der Regierung der Russischen Föderation und des Nationalen Energiesicherheitsfonds (NESF):

"Russland würde von der Rückkehr internationaler Ölhändler nur dann profitieren, wenn diese einen Präzedenzfall schaffen – das heißt, wenn sie als Erste nach Russland zurückkehren. Dadurch würden die nachfolgenden Unternehmen mutiger, sodass die Unternehmen, die wir wirklich brauchen, den Markt betreten könnten."

Aus wirtschaftlicher Sicht seien die globalen Großhändler für Russland nur dann von Interesse, wenn sie über enorme Finanzressourcen verfügten, die sie in russische Projekte wie etwa jene von Rosneft und Nowatek investieren, sich an unseren Unternehmen beteiligen oder einfach als Kreditgeber auftreten könnten (sollten die Sanktionen aufgehoben werden).

Igor Juschkow fährt fort:

"Aber im Großen und Ganzen sowohl aus Sicht der Unternehmen als auch aus Sicht des Staates – sind diese Händler gar nicht nötig. Die russischen Unternehmen haben ihr eigenes Handelssystem aufgebaut und operieren über ihre Tochtergesellschaften. Es ist für sie unrentabel, Global Players auf diesen Markt zu lassen und sie für ihre Dienste zu bezahlen. Früher zahlten wir riesige Summen an Drittunternehmen für die entsprechenden Zusatzdienste – sei es für Trading, Versicherungen oder Transporte des russischen Öls selbst. Es ging um Milliarden und sogar Dutzende Milliarden US-Dollar. Nun erbringen wir all diese Dienstleistungen selbst. Warum sollten wir also diese Gelder an ausländische Unternehmen, insbesondere aus westlichen Ländern, zahlen? Dafür gibt es keinerlei Grund."

Dem Experten zufolge würden mit der Aufhebung der Sanktionen die Sanktionsrisiken bei der Erbringung von Handels-, Versicherungs- und Transportdienstleistungen gegenüber Russland entfallen. Dies bedeute, dass die Kosten für diese Dienstleistungen bei russischen und asiatischen Anbietern sinken würden. Angesichts der freien Wahl der Unternehmen, die solche Dienstleistungen erbringen, hätten die westlichen Großanbieter keine Vorzüge.

Er stellt fest:

"Aus staatlicher Sicht ist eine derartige Marktrückkehr generell schädlich. Es ist durchaus möglich, dass die Rückkehr westlicher Unternehmen auf den russischen Markt mit gewissen Einschränkungen verbunden sein wird. Aus politischer Sicht könnte der Staat seinen Unternehmen empfehlen, nicht zur Zusammenarbeit mit diesen westlichen Strukturen zurückzukehren."

Maximow von der Russischen Plechanow-Wirtschaftsuniversität ist ebenfalls der Meinung, dass jeder dieser Fälle sehr sorgfältig und ausgewogen betrachtet werden sollte. Dabei sollte nicht nur der gegenwärtige Zeitpunkt, sondern auch die strategische Perspektive berücksichtigt werden. Erstens sei zu prüfen, welche Verluste unsere Wirtschaft durch den Rückzug dieses Unternehmens vom russischen Markt erlitten habe. Zweitens wäre zu analysieren, was die Rückkehr dieses Auslandsunternehmens der russischen Wirtschaft bringen könnte. Drittens sollte bei Unternehmen, die für uns eine besondere, einzigartige Bedeutung darstellen, ihre Beteiligung an der technologischen Entwicklung unserer Wirtschaft vorgeschrieben werden.

Abschließend sagt Maximow:

"Der inländische Kraftfahrzeugmarkt könnte beispielsweise neue Entwicklungsimpulse erhalten, wenn die Koreaner aus Hyundai nicht nur die Fertigproduktion oder Fließbandmontage bei ihrer Rückkehr mitbringen, sondern auch die Technologien, die wir für den Aufbau von Produktionsanlagen benötigen, um die Ersatzteile sowohl für die russische Automobilindustrie als auch für eine breite Palette der in Russland betriebenen ausländischen Fahrzeuge anbieten zu können."

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 31. März 2025 zuerst auf der Homepage der Zeitung Wsgljad erschienen.

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