Verlieren die USA den Wettlauf um Energietechnologien gegen China?
Seit Jahren führen die USA und China einen regelrechten Krieg um Technologien, Handel und Kapitalmärkte. Die Spannungen zwischen den führenden Volkswirtschaften der Welt erreichten während der Amtszeit des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump einen neuen Höhepunkt und führten zu steigenden Zöllen und schärferen Handelsbeschränkungen.
Nun bereitet eine neue Ankündigung aus Washington weitere Kopfschmerzen: China soll die Vereinigten Staaten bei der Forschung und Entwicklung im Bereich der erneuerbaren Energien weit überflügelt haben.
Laut Daten von BloombergBNEF, welche die Bank of America im aktuellen Bericht zitiert, gab China in den Jahren von 2010 bis 2020 für die Erforschung erneuerbarer Energien doppelt so viel Geld aus wie die USA und wurde damit weltweit zum mit Abstand führenden Investor auf dem Gebiet.
Die Bank wies darauf hin, China versuche in diesem Klimakrieg die Oberhand zu gewinnen, indem es die Lieferketten dominiert, kohlenstoffbezogene Handelszölle erhebt und seine Produktionspolitik auf das Inland ausrichtet.
Globale Vorherrschaft
Wie die Bank of America mitteilte, ist das Vorgehen Chinas nicht nur der Notwendigkeit im Umgang mit dem Klimawandel geschuldet. Der größte Motivationsfaktor sei in der Tat ein ganz anderer: Energieunabhängigkeit und globale Vorherrschaft. In dem Bericht heißt es:
"Es geht nicht nur darum, den Planeten zu retten. Wir glauben, dass Klimastrategien einen Weg zur globalen Vorherrschaft bieten, denn hier steht viel mehr auf dem Spiel: Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels könnten in diesem Jahrhundert bis zu 69 Billionen US-Dollar erreichen, und die Investitionen für die Energiewende müssen auf bis zu vier Billionen US-Dollar pro Jahr steigen. Auch die Energieunabhängigkeit und die Kontrolle der Versorgungsketten stehen auf dem Spiel. Das geopolitische Kräfteverhältnis ist ebenfalls mit dem Ölfördermaximum im Jahr 2030 verbunden."
Laut Harry Broadman, Geschäftsführer bei der Berkeley Research Group und Leiter der dortigen Abteilung für Schwellenmärkte und Direktinvestitionen, haben die USA unter den demokratischen Ländern bei der Zusammenarbeit in den Bereichen Investitionen und Handel sehr gut abgeschnitten. Im Bereich Forschung und Entwicklung sei jedoch außerordentlich schlechte Arbeit geleistet worden. Daher sei China in diesem Bereich eine enorm wettbewerbsfähige und potenziell große wirtschaftliche und vielleicht auch geopolitische Bedrohung geworden.
Energieunabhängigkeit als Utopie
Seit der Ära von US-Präsident Jimmy Carter und der Ölkrise der 1970er-Jahre haben die Vereinigten Staaten unermüdlich die Utopie einer Energieunabhängigkeit verfolgt. Doch anhaltende Ölkrisen, schwere Ölpreisschocks und der globale Wandel hin zu sauberen Energien haben deutlich gemacht, dass Washington niemals echte Energieunabhängigkeit erreichen wird, wenn es sich ausschließlich auf fossile Brennstoffe verlässt.
Tatsächlich ist die Mehrheit der US-Amerikaner der Meinung, die Regierung solle sich auf die Entwicklung alternativer Energiequellen konzentrieren, um den Klimawandel abzumildern, anstatt den Ausbau fossiler Brennstoffe voranzutreiben.
Doch während die Umstellung auf saubere und erneuerbare Energien weltweit ernsthaft an Fahrt gewinnt, stehen die Vereinigten Staaten vor einem weiteren Problem: Sie sind bei den Mineralien, die sie für den Bau sauberer Energiesysteme benötigen, fast vollständig von China abhängig.
China hat praktisch ein Monopol auf Seltene Erden. Das Land liefert 80 Prozent der Ressourcen, die die USA zur Herstellung von Solarpaneelen, Windrädern, Batterien für Elektroautos, Handys, Computern, nationalen Verteidigungssystemen, medizinischen Geräten und sogar in Öl- und Gastechnologien benötigen.
Dies bringt das Land in eine besonders prekäre Lage. Vor allem angesichts der nicht enden wollenden Handelsstreitigkeiten zwischen den beiden Nationen. Auf dem Höhepunkt des Handelskriegs im vergangenen Jahr genügte ein einfacher Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in einer unscheinbaren Fabrik, um das Schreckgespenst aufkommen zu lassen, dass Peking die Lieferung kritischer Materialien an die USA unterbrechen und möglicherweise große Teile der Industrie lahmlegen könnte.
Außerdem könnten die USA dank Bidens Green Deal den Würgegriff Chinas in der Branche bald deutlich zu spüren bekommen.
Abhängig von China
Seltene Erden sind eine Gruppe von Elementen, die in unterschiedlichen Mengen bei der Herstellung einer breiten Palette von Geräten zum Einsatz kommen. Lanthan wird zum Beispiel in Beleuchtungsanlagen und Kameralinsen verwendet, Neodym in Hybridfahrzeugen, Praseodym in Flugzeugtriebwerken, Europium in Kernreaktoren und Gadolinium in Magnetresonanztomographen und Röntgengeräten. Ölraffinerien verwenden Katalysatoren mit Seltenen Erden für die Umwandlung von Rohöl in Benzin oder Kerosin.
China produzierte in den letzten zehn Jahren mehr als 90 Prozent des weltweiten Angebots an diesen kritisch wichtigen Elementen, obwohl der Anteil im vergangenen Jahr auf 71,4 Prozent zurückging.
Im Jahr 2018 nannte die US-amerikanische Behörde für Kartografie 35 Mineralien, die für die Wirtschaft und die nationale Sicherheit des Landes kritisch sind. Bei all diesen Mineralien sind die USA stark von Importen abhängig, denn sie produzieren weniger als ein Zehntel des weltweiten Angebots und importieren die Hälfte ihres Bedarfs. Das zeigt eine deutliche Schwachstelle der Vereinigten Staaten. Dabei könnte Chinas Dominanz in Zukunft nur noch zunehmen.
Man erwartet, dass sich die globale Seltenerden-Industrie von 8,1 Milliarden US-Dollar im Jahr 2018 auf 14,4 Milliarden US-Dollar im Jahr 2025 fast verdoppeln wird, da die Nachfrage nach Elektroautos, Mobiltelefonen und Mikrochips in die Höhe schießt. Bidens Regierung erkannte dieses starke Wachstum und versprach, bis zum Jahr 2030 in den USA 500.000 neue Ladestationen für Elektroautos zu installieren, ausgehend von den derzeit verfügbaren 26.000.
China im eigenen Spiel schlagen
Chinas Kontrolle über die Seltenen Erden ist jedoch nicht unbedingt "ein Ass im Ärmel Pekings", wie die Global Times einmal behauptete. Im Gegenteil sind die USA sogar in einer starken Position, um Chinas Kontrolle über die Industrie zu brechen und sich von Importen Seltener Erden unabhängig zu machen.
Die Biden-Regierung hat diese Herausforderung und Chance klar erkannt und versprochen, die Suche nach Vorkommen von Lithium, Kupfer, Nickel und Seltenen Erden zu unterstützen, um die heimische Beschaffung der Mineralien sicherzustellen. Berichten zufolge soll die US-Regierung die Bemühungen zur Ausweitung der heimischen Mineralienforschung und -förderung bereits verstärkt haben.
Zum Beispiel bietet das parteiübergreifende Gesetz über die Inbesitznahme heimischer Seltenerdmineralien (RARE), welches im September im US-Repräsentantenhaus eingebracht wurde, ein umfassendes Regelwerk für Steueranreize, um Investitionen in den US-basierten Bergbau Seltener Erden und deren Verarbeitung zu fördern. In der Zwischenzeit treiben Dutzende Unternehmen und Start-ups von Alaska bis Texas die Entwicklung des Bergbaus voran. Ein Standort in Colorado steht kurz davor, die erste nicht-chinesische Anlage zur Veredelung von Seltenerd-Erzen zu werden.
In den USA mangelt es nicht an Seltenerdenvorkommen. Ein Berg in Wyoming namens Bear Lodge birgt zum Beispiel etwa 18 Millionen Tonnen dieser Mineralien. Genug, um das Land über Jahre hinweg zu versorgen.
Und wenn es hart auf hart kommt und Peking plötzlich den Export dieser Ressourcen in die USA verbietet, könnte Washington mit dem Aufbau einer neuen Lieferkette außerhalb Chinas kontern. So wie Japan, als das Land vor einem Jahrzehnt ein ähnliches Schicksal ereilte.
Oder die USA beginnen einfach mit Recycling im großen Maßstab. Derzeit werden nur etwa ein Prozent der Seltenen Erden aus Endprodukten am Ende des Lebenszyklus recycelt. Somit ist das Recycling-Potenzial dieser kritisch wichtigen Mineralien sehr groß.
Eine Studie aus dem Jahr 2013 besagt, dass allein durch die Erhöhung der Sammelquote von Batterien, Glühbirnen und Magneten die Recyclingrate von Seltenen Erden von einem Prozent auf 20 bis 40 Prozent verbessert werden könnte. Dies entspräche bis zu fünf Prozent der weltweiten Minenproduktion oder fast der Hälfte des jährlichen Fördervolumens der US-amerikanischen Minen.
Aber es geht angeblich noch besser. Simon Jowitt, Assistenzprofessor in der Abteilung für Geologie an der Universität von Nevada, erklärte gegenüber dem Technologieblog ArsTechnica, dass weit mehr als 40 Prozent der Seltenen Erden recycelt werden könnten, abhängig von der Akzeptanz der Technologien.
Eine derart immense Menge an Seltenen Erden zu recyceln wäre natürlich kein einfaches Unterfangen.
Die verschiedenen Arten recyclebarer Elektronik enthalten nicht notwendigerweise ausreichende oder anteilsmäßg relavante Mengen Seltener Erden, um das Recycling dieser Elemente profitabel zu machen. In vielen Fällen sind die Hersteller in der Regel nicht für das Recycling verantwortlich. Dies bedeutet, dass man nicht einmal genau weiß, welche Komponenten welche Materialien enthalten.
Hier könnte sich die Seltenerden-Industrie der Vereinigten Staaten ein Beispiel an der Europäischen Union nehmen.
Die EU-Richtlinie über Elektro- und Elektronikgeräte-Abfall (WEEE) verlangt von den Herstellern dieser Geräte nicht nur, dass sie das Recycling ihrer Produkte finanzieren oder durchführen, sondern auch, dass die Händler eine kostenlose Abholung des Elektroschrotts anbieten.
Letztendlich könnte es aber auf den politischen Willen hinauslaufen – oder einen Mangel daran.
Ein Genehmigungsverfahren nimmt in den USA viel Zeit in Anspruch und kann bis zu drei Jahrzehnte dauern, verglichen mit nur zwei Jahren in Ländern wie Australien und Kanada. Das Navigieren durch ein behördliches Minenfeld aus labyrinthischen, lokalen, bundesstaatlichen und föderalen Regeln behindert US-Bergbauunternehmen im Vergleich zu ihren chinesischen Konkurrenten deutlich.
Angesichts der jüngsten parteiübergreifenden Bewegungen in der Branche werden die Gesetzgeber jedoch hoffentlich über Parteigrenzen und Zugehörigkeiten hinwegschauen und eine Lösung finden.
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