Die USA befinden sich in einer Rezession – und die ist schlimmer, als man annehmen könnte
Eine Analyse von Bradley Blankenship
Die US-Wirtschaft schrumpfte im zweiten Quartal dieses Jahres um geschätzte 0,9 Prozent. Das zweite Quartal in Folge kam es somit zu einer sogenannten Kontraktion, was laut der gängigen Wirtschaftslehre maßgeblich für die Feststellung einer Rezession ist. In Reaktion auf diese besorgniserregenden Zahlen versuchte das Weiße Haus, Befürchtungen herunterzuspielen, indem es den Rückgang als "keine Überraschung" bezeichnete, da sich die Wirtschaftsentwicklung infolge der Zinserhöhungen der US-Notenbank (Fed) verlangsamt habe. Aber man sollte sich hier nicht täuschen lassen. Die wirtschaftliche Situation in den USA ist in der Tat besorgniserregend. Denn auch wenn die Rezession im Land künstlich von der Fed herbeigeführt wird, ist es immer noch eine Rezession. Und das birgt nicht nur sehr reale Risiken; der von der Fed angestrebte Ansatz ist auch bestenfalls unvollständig und veraltet.
Zunächst müssen wir verstehen, warum die Fed die Zinsen erhöht. Einfach ausgedrückt ist dies eine Maßnahme, um die Inflation zu zügeln, die derzeit auf dem höchsten Stand seit 1981 ist, hauptsächlich angetrieben durch steigende Kraftstoff- und Lebensmittelpreise. Laut dem Ansatz der Fed wird die Inflation durch außer Kontrolle geratene Verbraucherausgaben in einer – ihrer Meinung nach – überhitzten Wirtschaft angekurbelt. Eine Anhebung der Zinssätze und damit eine Verteuerung von Krediten, sowohl für Unternehmen als auch für Verbraucher, soll nach Ansicht der Fed dazu beitragen, die Wirtschaft abzukühlen, die Ausgaben niedrig zu halten und die Inflation einzudämmen.
Aber dieser Ansatz ist in seiner Logik offensichtlich fehlerhaft. Es wird angenommen, dass erhöhte Ausgaben aufgrund steigender Löhne und eines Nachholbedarfs nach der COVID-19-Pandemie, der durch staatliche Anreize verstärkt wurde, die Inflation antreiben. In Wirklichkeit trifft jedoch keine dieser Erklärungen zu. Die Einkommen sind real gesunken und die Nachfrage scheint sich gerade wieder auf dem Niveau von vor der Pandemie einzupendeln, wobei sich viele Sektoren nie von den durch die Pandemie verursachten Nachfrage-Engpässen erholt haben.
Im Gegenteil: Unternehmen, die jetzt die anhaltende Krise nutzen, um ihre Preise zu erhöhen, scheinen ein wichtiger Faktor zu sein – und einer, den sogar das Weiße Haus anerkennt. Mangelnder Wettbewerb ist also einer der Haupttreiber der Inflation. Dies wird im Energiesektor deutlich, wo Unternehmen wie BP, Exxon, Chevron und Shell Rekordgewinne vor dem Hintergrund steigender Kraftstoffpreise und nicht regulierter Aktienrückkäufe verbuchen. Das bedeutet, dass es eher um ein angebotsseitiges als ein nachfrageseitiges Problem geht, das die aktuelle Geldpolitik anzugehen versucht.
Ein weiteres Problem auf der Angebotsseite ist die Tatsache, dass die COVID-19-Pandemie noch nicht vorbei ist. Immer wieder neu ansteigende Fallzahlen, ausgelöst von den Omikron-Subvarianten BA.4 und BA.5, können und werden jederzeit erhebliche Teile der Belegschaften ausschalten. Diese aufeinanderfolgenden COVID-Wellen wirken sich belastend auf die Lieferketten aus.
Auch der Klimawandel zieht eine Angebotsbeschränkung nach sich. Jede einzelne Branche auf dem Planeten ist vom Klimawandel betroffen, und im vergangenen Jahr kam es zu Wetterereignissen, durch die Schlüsselindustrien für Holz, Halbleiter und Grundnahrungsmittel gestört wurden. Diese Probleme bestehen natürlich fort, weil die schädlichen Auswirkungen des Klimawandels immer schlimmer werden. Gleichzeitig reichen die Bestrebungen der Regierung gegen den Klimawandel nicht aus, um diese Probleme zu lindern. Ohne ausreichende Alternativen anzubieten, treibt der Mangel an Investitionen in neue Öl- und Gasprojekte nur die Energiepreise in die Höhe, was zu Rekordgewinnen für die großen Verbraucher fossiler Brennstoffe führt.
Anstatt dass der US-Kongress also Gesetze verabschiedet oder einen Plan formuliert, um die Pandemie zu beenden, den Klimawandel anzugehen oder Monopole aufzubrechen, greift die Fed ein, um gegen etwas vorzugehen, was sie als überbordende Konsumausgaben betrachtet. Aber es sind nicht die Verbraucher, die leichtfertig mehr Geld ausgeben, es sind jene Menschen, die mehr Geld als vorher für dieselben Dinge ausgeben müssen, weil unsere Lieferketten durch eine Mischung aus Krankheiten, extremen Wetterereignissen und Unternehmensgier gestört werden.
Noch besorgniserregender an den aktuellen Wirtschaftsaussichten ist, dass es kein vergleichbares historisches Szenario gibt, an dem man sich orientieren könnte. In den späten 1970er und in den 1980er Jahren, als die Welt mit einer ähnlichen Mischung aus Rezession und Inflation zu kämpfen hatte, die als"Stagflation" bezeichnet wurde, trug die Globalisierung – das heißt die globale Integration der Weltwirtschaft – dazu bei, Wirtschaftswachstum zu schaffen und neue Märkte für multinationale Unternehmen zu erschließen.
Vielleicht war nichts in dieser Zeit folgenreicher als die Normalisierung der Handelsbeziehungen zwischen den USA und China sowie Chinas Reform- und Öffnungspolitik, die unter Deng Xiaoping begann. Aber jetzt lenken die anhaltenden Spannungen und der Handelskrieg zwischen China und den USA sowie die von den USA angeführten Bemühungen, die westlichen Volkswirtschaften von China abzukoppeln, die Weltwirtschaft in Richtung Wachstumsrückgang.
Das heißt, der Versuch der De-Globalisierung, der meines Erachtens derzeit getestet wird, indem die westliche Welt versucht, Russland von der Weltwirtschaft abzukoppeln, wird eine Umkehrung der erfolgreichen Periode der Globalisierung schaffen. Er wird die wirtschaftlichen Hürden, mit denen die amerikanischen und westlichen Lieferketten konfrontiert sind, nur noch höher machen.
Trotz der heiteren Äußerungen aus dem Weißen Haus befindet sich die US-Wirtschaft in einer Rezession – und die Instrumente, die von der Fed eingesetzt werden, um die zunehmende wirtschaftliche Stagnation und die galoppierende Inflation zu stoppen, reichen nicht aus. Wenn überhaupt, wird die Politik der US-Regierung auf allen Ebenen die Lage nur noch verschlimmern.
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Übersetzt aus dem Englischen.
Bradley Blankenship ist ein in Prag lebender amerikanischer Journalist, Kolumnist und politischer Kommentator. Er hat eine Kolumne bei CGTN und ist freiberuflicher Reporter für internationale Nachrichtenagenturen, darunter die Nachrichtenagentur Xinhua. Er twittert auf @BradBlank
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