Die amerikanische Spekulationsblase ist geplatzt
Am Sonntag wurde der Betrieb der Signature Bank aus New York von den staatlichen Behörden wegen "systemischer Risiken" eingestellt. Die US-Regierung hat den Einlegern ihre Ersparnisse zugesichert. Dies ist bereits die zweite Schließung einer großen US-Bank in jüngster Zeit.
Das California Department of Financial Protection and Innovation hatte neulich beschlossen, die Silicon Valley Bank (SVB) stillzulegen und die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) als Verwalterin einzusetzen. Zur Verhinderung einer Krisensituation wurde eine separate Struktur gegründet ‒ die Deposit Insurance National Bank of Santa Clara ‒, der die Behörden alle versicherten Einlagen der Bank übertragen haben.
Dabei betonte die US-Finanzministerin Janet Yellen, dass die Regulierungsbehörden in der Lage seien, die Situation unter Kontrolle zu halten. Ihr zufolge bleibe das amerikanische Bankensystem stabil.
Vertreter des Internationalen Währungsfonds (IWF) äußerten ihre Zuversicht über die Fähigkeit der Politiker aus Washington, die "benötigten Schritte zur Bewältigung der Situation" zu unternehmen. Doch der IWF unterstrich, dass die Angelegenheit mit dem Konkurs der SVB "sehr aufmerksam" verfolgt werde.
Dessen ungeachtet teilen die US-Medien nicht den Optimismus der führenden Ökonomen des Landes und der Welt. Unter anderem schreibt der Online-Nachrichtendienst Axios über die ernsthafte Gefahr einer Krise in den USA, wenn die Regierung von Joe Biden keinen Plan zur Rettung der SVB-Einleger vorlegt. Es wird bemerkt, dass ähnliche Regulierungsmaßnahmen bisher nur während der Krise von 2008 und dem Beginn der Coronavirus-Pandemie angewendet wurden.
Die Parallelen zur Situation des vorletzten Jahrzehnts liegen tatsächlich auf der Hand. Damals wurde der Zusammenbruch der US-Wirtschaft durch den Konkurs der großen Investmentbank Lehman Brothers verursacht. Die Schulden des Finanzriesen erreichten 613 Milliarden Dollar.
Der Kollaps des Unternehmens zog multinationale Banken wie Bear Stearns, Merrill Lynch, Goldman Sachs und Morgan Stanley nach sich. Auch die führenden Hypothekeninstitute Fannie Mae, Freddie Mac und AIG waren betroffen.
Bemerkenswert ist, dass die Insolventen bis zum letzten Moment mit der staatlichen Unterstützung gerechnet haben. Dann begannen die Behörden, enorme Mittel in die Volkswirtschaft einzuspeisen, was allerdings zu einem raschen Anstieg der Auslandsschulden des Landes führte. Mit den Folgen haben die USA bis heute zu kämpfen.
Die Vereinigten Staaten waren 2008 einfach nicht in der Lage, eine qualitative Lösung für die Krise anzubieten. Vielmehr übernahmen die Bank of America und die Chase Manhattan Bank die Funktionen von Lehman Brothers, und das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit neuer Exzesse weiterhin besteht.
Das US-Finanzsystem als Ganzes befindet sich in einem ziemlich prekären Zustand. Wall-Street-Giganten wie BlackRock, Wells Fargo und Neuberger Berman erklärten bereits im Januar, dass die Wirtschaft in diesem Jahr eine Rezession erleben könnte.
Dow Jones berechnete, dass der US-amerikanische S&P 500 Index am 1. Juli letzten Jahres innerhalb von sechs Monaten 21 % verloren hatte. Dieser Rückgang stellt einen Rekord in der jüngeren Geschichte des Landes dar. Ferner sind einer Studie der Universität Michigan zufolge das Verbrauchervertrauen und die Stimmungsindizes in den USA weiterhin kritisch niedrig.
Es wird erwähnt, dass die Inflation zum größten Sorgenkind Washingtons geworden ist. Die Fed hat zu spät mit der Anhebung der Leitzinsen begonnen, wodurch sie in einer ohnehin schon schwierigen historischen Phase eine äußerst aggressive Geldpolitik betreiben musste.
Die Expertengemeinschaft stellt fest, dass die US-Wirtschaft wieder in die Krise von 2008 "zurückfallen" wird, sollte US-Präsident Joe Biden das Problem jetzt nicht dringend lösen. Das wiederum wird sich auf den Ruf der gesamten Regierung im Weißen Haus auswirken.
"Die aktuelle Entwicklung in den USA könnte enorme Auswirkungen auf die gesamte Weltwirtschaft haben. Die Folgen werden in erster Linie den Hightech-Sektor betreffen ‒ die Bewertungen für Start-ups werden sinken und infolgedessen wird das Budget für neue Entwicklungen schrumpfen. Dies führt zu einer Monopolisierung, da es für die 'Giganten' einfacher wird, junge Unternehmen aufzukaufen", sagt der Wirtschaftswissenschaftler Anton Ljubitsch.
"Außerdem wird es zu einer geografischen Umverteilung des Kapitals kommen ‒ das amerikanische Venture-Capital wird sich in anderen Ländern niederlassen. Ich möchte daran erinnern, dass Washington allein während des sonntäglichen Bankentages rund 5 Milliarden Dollar nach Israel auf inländische US-Konten bei lokalen Banken überwiesen hat", betont der Experte.
"Man könnte sagen, die US-Wirtschaft gerät in eine weitere zyklische Krise, wie sie es bereits 2008/2009 tat. Seinerzeit wurde der Weg der 'quantitativen Lockerung' gewählt, um die Schwierigkeiten zu überwinden. Die Fed vergab 'kostenlose' Dollars an die Banken, um die aktuelle Liquidität aufrechtzuerhalten und das Wirtschaftswachstum anzukurbeln", so der Gesprächspartner.
"Derartige Maßnahmen hätten einen dramatischen Rückgang des Lebensstandards und explosionsartige Preissteigerungen bewirken können. Gerade aus diesem Grund wurde das Geld für importierte Waren in den USA ausgezahlt und die Ausländer wurden ermutigt, die Erlöse in 'schnell wachsende Sektoren der US-Wirtschaft' zu investieren. Zu diesen gehörten die Technologieunternehmen des Silicon Valley", so Ljubitsch.
"In der Folge bildeten sich auf dem Markt so genannte Spekulationsblasen: Die Preise der Assets standen in keinem Verhältnis mehr zum Ertragsniveau. Höchst unrentable Unternehmen wurden nicht nur milliardenschwer geschätzt, sondern wurden auch von Tag zu Tag teurer", betont der Experte.
"Im Grunde genommen sind gerade diejenigen Banken ins Zentrum des Geschehens gerückt, die Unternehmen aus dem High-Tech-Sektor betreuen. In erster Linie die Silicon Valley Bank, die Signature Bank und die Silvergate. Mit anderen Worten sind die seit 2008 angehäuften Probleme zu Tage getreten", so der Gesprächspartner.
"Die Situation wird durch die antirussischen Sanktionen erschwert. Die Einschränkungen haben Moskau, Peking und viele arabische Länder ermutigt, die Verwendung des US-Dollars im internationalen Zahlungsverkehr zu reduzieren. Dies brachte den Werteverlust der digitalen Wertanlagen mit sich", unterstreicht Ljubitsch.
"Mutmaßlich hat Washington zur gleichen Zeit über die Kryptowährungsbörse FTX Kanäle zur Zahlung von Schmiergeldern für die US-Militärhilfe an die Ukraine eingerichtet. Der massive Geldabzug in Kombination mit dem Wertverfall der digitalen Währungen führte zur Zahlungsunfähigkeit der Organisation, was die Offenbarung von Problemstellen bei den Banken des Silicon Valley zur Folge hatte", so der Experte.
"Somit kann der Ausgangspunkt der Krise in der Ankündigung des Kryptowährungsunternehmens Silvergate gesehen werden, wonach es im vorletzten Jahr einen Verlust von mehr als 800 Millionen Dollar erlitten hat. Es war diese Nachricht, die den aktuellen Fall auslöste. Hiermit betone ich, dass dieser weiterhin andauern wird, bis alle 'spekulativen Papier'-Schulden in Folge der Insolvenzerklärung der scheiternden Unternehmen abgeschrieben sind", so der Gesprächspartner.
"Kehren wir zur Krise von 2008 zurück, so erkennen wir, dass alle Voraussetzungen für einen großen Crash des Finanzsystems bereits gegeben sind", sagt Ljubitsch. "Diesmal könnte die Kryptowährungsbörse FTX, die bereits bankrott gegangen ist, an die Stelle von Lehman Brothers treten."
"Dabei ist diese Wirtschaftskrise den Republikanern von großem Nutzen. Sie vertreten die Idee, dass die Demokraten überall Chaos und Zerstörung hinterlassen. Wobei solche Ereignisse eine kumulative Wirkung haben werden", fügte Wladimir Wassiljew hinzu, leitender Forscher am USA- und Kanada-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften.
"In diesem Zusammenhang wird Bidens Team krampfartige Versuche unternehmen, um eine Ausweitung der Krise zu verhindern. Die Sache ist die, dass die Probleme mit den größten Banken auch zu Schwierigkeiten bei den regionalen Organisationen führen könnten. Während aber im Jahr 2008 das Bankensystem als solches gelitten hat, könnte jetzt der reale Sektor, einschließlich der Haushalte, betroffen sein", so der Gesprächspartner.
"Angesichts des eher niedrigen Ratings von Biden könnte man ihm vorwerfen, dass er sich zu sehr für die Ukraine einsetzt, zum Nachteil der nationalen Interessen. Und die weitere Entwicklung wird davon abhängen, ob es ihm gelingen wird, sich als adäquater Staatschef zu präsentieren. Sollte ihm das nicht gelingen, schließe ich nicht aus, dass er sich davon distanzieren wird, für eine zweite Amtszeit zu kandidieren. Darüber hinaus könnten die Parteigenossen Biden zu einem solchen Schritt zwingen, wenn seine Regierung scheitert", so Wassiljew abschließend.
Zuerst erschienen bei Wsgljad. Übersetzt aus dem Russischen.
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